Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 48. Sitzung / Seite 100

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zung des Europäischen Parlaments am 13. November 1996 abgelehnt. Hätten die sechs Europaabgeordneten der ÖVP für diese Forderung votiert, wäre sie beschlossen worden.

Diese Ablehnung, die nicht von allen konservativen Abgeordneten des Europäischen Parlaments mitgetragen wurde (zwei Abgeordnete der Europäischen Volkspartei stimmten dem Änderungsantrag zu; MEP Schierhuber (ÖVP) enthielt sich der Stimme), steht in Widerspruch zu österreichischen Interessen und zu der bisher von Mitgliedern der österreichischen Bundesregierung im Ausland vertretenen Ablehnung der Atomenergienutzung. Erst anläßlich des österreichischen Engagements gegen die Fertigstellung des AKW Mochovce wurde am 9. Februar 1995 im Nationalrat einstimmig eine Entschließung aller fünf Parteien angenommen und die Bundesregierung aufgefordert, "ihre Bemühungen im Sinne der Politik für ein kernenergiefreies Mitteleuropa zu intensivieren" und "sich zu bemühen, die Zielsetzungen von EURATOM dahin gehend zu ändern, daß die Förderung der Kernenergie unterbleibt".

Das Stimmverhalten widerspricht auch dem im Koalitionsübereinkommen 1996 gegebenen Versprechen, daß die Regierungsparteien sich insbesondere dafür einsetzen werden, auf Ebene der Europäischen Union die Zielsetzung des langfristigen Ausstiegs aus der Atomkraft weiter zu verfolgen. (Koalitionsübereinkommen vom 11. März 1996, Kapitel "Österreich als EU-Mitglied", Seite 22.)

Weiters widerspricht die Ablehnung der Forderung nach Einstellung der Subventionen für die Atomenergienutzung und die Ablehnung einer Reform des EURATOM-Vertrages den im Nationalen Umweltplan festgelegten ökologischen Leitlinien. Dieser empfiehlt eine aktive Mitgestaltung bei der Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung im Rahmen der Europäischen Union (NUP, Kapitel 2.1.2. "Österreichs internationaler Beitrag", Unterkapitel "Aktivitäten Österreichs im europäischen und regionalen Kontext", Seite 21), die zumindest nach österreichweit gängiger politischer Meinung mit einer derart risiko- und abfallreichen Technologie wie der Atomenergienutzung unvereinbar ist. Im Koalitionsübereinkommen 1996 hat sich die Bundesregierung selbst zur Realisierung der im Nationalen Umweltplan formulierten ökologischen Leitlinien verpflichtet. ("Die im Nationalen Umweltplan festgelegten Leitlinien sind zu realisieren.", siehe Koalitionsübereinkommen vom 11. März 1996, Kapitel X "Umwelt", Seite 46.)

Schließlich wird die im Energiebericht 1996 der österreichischen Bundesregierung dargestellte Schrittmacherfunktion bei der Schaffung eines kernenergiefreien Mitteleuropas (Energiebericht 1996 der österreichischen Bundesregierung, Kapitel 2.2.2. "Kernenergiepolitik", Seite 63) durch das Abstimmungsverhalten der Abgeordneten der ÖVP im Europäischen Parlament konterkariert.

Indem die ÖVP-Parlamentarier Flemming, Habsburg-Lothringen, Pirker, Rack, Rübig und Stenzel eine Resolution für den Ausstieg aus der Förderung der Kernenergie sowie für die Reform des EURATOM-Vertrages mit ihren Stimmen verhinderten, stellten sie aber auch die viel weiter gehenden seit dem Jahr 1992 geltenden und im Jahr 1995 wiederholten Forderungen des Europäischen Parlaments (Entschließung zur Einberufung von Regierungskonferenzen im Hinblick auf die Änderung des EGKS- und des EURATOM-Vertrages, 16. Jänner 1992, Abl. Nr. C 39/101; Bericht über die Funktionsweise des Vertrags über die Europäische Union im Hinblick auf die Regierungskonferenz 1996 – Verwirklichung und Entwicklung der Union, Institutioneller Ausschuß, 12. Mai 1995, Berichterstatter: Bourlanges/Martin, PE 214.450, Teil I.B2) nach einer Reform des EURATOM-Vertrages und einer Einbeziehung in den EG-Vertrag in Frage und brachten die jahrelange atomenergiekritische Haltung des Europäischen Parlaments zu Fall.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an den Bundeskanzler folgende

Dringliche Anfrage:

1. Gibt es unterschiedliche Auffassungen oder unterschiedliche Prioritätensetzungen der Regierungsparteien in Fragen der Atomenergienutzung?


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