Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 49. Sitzung / Seite 151

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Meine Bitte ist, die Dimension des Zustandes zu sehen. Denn was ich jetzt an Gegenbeispielen genannt habe, waren jedenfalls Spielregeln, die sich im Inneren des Systems abspielen. Es ist schlimm genug, wenn diese Spielregeln nicht den Verfassungsgrundsätzen entsprechen, aber wirklich gefährlich wird es, wenn die Spielregeln, die zur Installierung des Systems führen, den Verfassungsgrundsätzen nicht mehr entsprechen, denn dann ist es so, daß wir ein Produkt schaffen, das bewirkt, daß innerhalb dieses Gremiums kein kritisches Hinterfragen mehr möglich ist, sodaß dann der Widerstand von außen kommen muß oder kommt. Doch was das bedeutet, verstehen, so hoffe ich, die meisten in diesem Hause und wissen auch, worauf ich anspiele.

Das ist der Grund, warum wir an die Verantwortung der Entscheidungsträger appellieren, nicht nur den Zustand ihrer eigenen Parteien zu analysieren, sondern vor allem auch einmal den Zustand des Staatsganzen. Ich meine, daß man, wenn man Konzepte für die wirklich wesentlichen Probleme unserer Gesellschaft erarbeitet – etwa dafür, wie man die Arbeitswelt neu ordnet; ich halte das im Augenblick für die größte Herausforderung –, bedenken sollte, wer das dann beschließen und wer das dann umsetzen wird.

Wenn ich diesen Gedankengang verfolge, komme ich direkt zum Wahlrecht, weil Wahlrechte die Mengenverhältnisse der Parlamente beschließen. Doch was ich in unserem Staat sehe, ist die Tatsache, daß das Verhältniswahlrecht, von dem ich meine, daß es für unsere demokratische Kultur wichtig ist, immer mehr mit Füßen getreten wird. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich meine, daß die Pluralität ein essentielles Merkmal einer Demokratie ist und daß eine solche Pluralität nur durch ein Mehrheitswahlrecht gewährleistet sein kann. Ich gebe jedoch zu, ein Verhältniswahlrecht macht absolute Machtausübung schwieriger, aber das ist auch genau das Ziel dieses Wahlrechtes. Doch weil das das Ziel ist, tut es den Mächtigen natürlich weh. Sie richten es sich daher, wie man es beispielsweise in Wien getan hat, wo es ein Wahlrecht gibt, bei dem man mit etwa 47 Prozent der Stimmen eine absolute Mehrheit haben kann. Dabei hat man sogar noch versucht, dieses Wahlrecht für die eigenen Machtinteressen zurechtzubiegen, und zwar hat man ausgerechnet, daß man nach dem Vorschlag der Wiener bei etwas über 40 Prozent der Stimmen eine absolute Mandatsmehrheit haben könnte.

Man muß sich einmal vorstellen, was man sich untersteht, an Vorstellungen über Wahlrecht öffentlich zu machen! Das hat sogar das Innenministerium zu dem Ausdruck hingerissen, das sei der versuchte Bruch der Verfassung. Es ist daher wenigstens dieser Vorschlag nicht durchgesetzt worden. Aber trotzdem: Es werden offensichtlich die Wahlrechte nicht als Instrumente der Bürger und Bürgerinnen gesehen, sondern zunehmend als Instrumente der Parteien.

Weil das so ist, haben wir einen Versuch in Salzburg unternommen. Als nämlich nach der Salzburger Landtagswahl klar wurde, daß man in einem Wahlkreis, zum Beispiel im Lungau, 50 Prozent der Stimmen brauchte, um auch nur ein Mandat zu bekommen, sind wir Liberalen zum Verfassungsgerichtshof gegangen und haben erreicht, daß der Verfassungsgerichtshof dieses Wahlrecht für verfassungswidrig erklärt hat.

Nun haben wir ein Bundesland – Kollege Wurmitzer strahlt mich schon an, denn offensichtlich glaubt er, daß seine Partei davon profitiert –, in dem wir immer noch einen verfassungswidrigen Zustand haben, weil dieses Land die Wahlkreise so aufteilt, daß die Erreichung eines Mandates davon abhängt, daß man etwa 10 Prozent der Stimmen hat. Das, Kollege Wurmitzer, ist mit Sicherheit verfassungswidrig! (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

Nun ist es so, daß wir keine Möglichkeit haben, diese Verfassungswidrigkeit vor dem Verfassungsgerichtshof geltend zu machen, aber jemand anderer hat die Möglichkeit, nämlich die Bundesregierung. Das ist der Grund, warum die Grünen und wir einen gemeinsamen Antrag an diese Bundesregierung gestellt haben, von ihrem Recht Gebrauch zu machen, dieses Gesetz jetzt vor dem Verfassungsgerichtshof zu bekämpfen, weil es natürlich Zeit braucht, um nach Aufhebung dieses Gesetzes – wie man weiß, braucht auch dieses Verfahren schon Zeit – ein verfassungskonformes Gesetz zu gestalten, und weil wir erreichen wollen, daß wenigstens die


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