Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 49. Sitzung / Seite 159

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Frau Minister! Vor dem Hintergrund des Beschlusses des AZG haben Sie den Ländern ein politisches Zuckerl gegeben, nämlich die Rufbereitschaft!

Nur zur Erinnerung: Betroffen von der Rufbereitschaft sind indirekt die Universitätskliniken, sind direkt einige Schwerpunktspitäler, sind direkt sämtliche 92 Standardspitäler, Spitäler mit einer Anzahl von 30 bis 714 Betten.

Wie lautet der derzeitige § 8 im KAG? – Der ärztliche Dienst muß so eingerichtet werden, daß an Nacht-, Sonn- und Feiertagsdiensten jederzeit eine notfallmedizinische Versorgung durch einen in der Krankenanstalt anwesenden Facharzt aus bestimmten Fächern gewährleistet ist sowie eine Rufbereitschaft der jeweilig in Betracht kommenden Sonderfächer gegeben ist. – Das heißt, das von der EU eingeforderte Arbeitszeitgesetz wird nun durch die Rufbereitschaft praktisch unterlaufen. (Abg. Dr. Leiner: Wieso?)

Derzeit fehlen bereits 600 Ärzte für einen gesetzeskonformen Betrieb. Bis zum Ende der Übergangsfrist, so wie bisher im Arbeitszeitgesetz vorgesehen, müßten 1 200 Ärzte mehr eingestellt werden.

Nun sagt die Frau Minister, das seien ja nur Rahmenbedingungen und es liege im Ermessen der Länder, daß man höhere Standards einrichtet. Aber die Realität ist ja: Der Plan zielt auf Einsparungen ab. Die Realität ist ja, daß die Länder durch die gedeckelten Beträge der Sozialversicherungen eben nur mehr ganz bestimmte Beträge zur Verfügung haben, daß die Spitalskosten zwar steigen werden, daß aber in die Sozialversicherungen weniger eingezahlt werden wird. Das heißt, die Schere wird immer weiter auseinanderklaffen. Und wo werden die Länder sparen? – Natürlich bei den Personalkosten, die 60 Prozent der gesamten Spitalskosten ausmachen.

Meine Damen und Herren! Die Garantieerklärung der Länder, daß sie den Standard beibehalten werden, ist ja ein Witz! (Beifall bei den Freiheitlichen.) Die ist wirklich ein Witz, geschrieben auf einen Gasthauszettel. Handschriftlich hat Landesrat Bischof seine Garantieerklärung, daß er den Standard beibehalten wird, hingeschrieben. Das ist doch lächerlich! (Abg. Dr. Leiner: Handschlag genügt!) Herr Kollege, sei mir nicht böse, was heißt Handschlag und gesetzliche Haltbarkeit? Das ist ja geradezu lächerlich. Er soll uns nicht für dumm verkaufen. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Leiner: Ein Wort genügt!)

Was sind jetzt die genauen Auswirkungen dieser Rufbereitschaft für Ärzte und Patienten?

Punkt 1: Ein Facharzt in den Standardspitälern ist der Mindeststandard. Das kann zu ganz grotesken Situationen führen, auf die ich jetzt gar nicht näher eingehen möchte.

Punkt 2: Die Erstversorgung der stationären Patienten und der Notfallpatienten, also die Erstbehandlung, wird vom Turnusarzt vorgenommen. Der Turnusarzt ist bekanntlich ein promovierter Mediziner ohne Berufsberechtigung. Das heißt, er ist zur selbständigen Ausübung seines Berufes nicht berechtigt. Das ist keine Abqualifizierung des Turnusarztes, sondern das ist die Realität. Ich weiß das, denn ich war selbst Turnusarzt.

Nun versucht aber die Frau Minister, dieses Gesetz zu beugen. Und nun stellen Sie sich einmal vor: Am Tag – wenn genügend Personal da ist, wenn das gesamte Gesundheitspersonal anwesend ist und wenn die Fachärzte da sind – darf der Turnusarzt nicht selbständig tätig sein, am Tag ist er das, was er ist, nämlich der Lehrling, der lernt. (Abg. Dr. Pumberger: So wie der Zauberlehrling!) Aber in der Nacht darf er plötzlich, wenn es ihm gestattet wird und er über die entsprechenden Kenntnisse verfügt, alles tun. In der Nacht darf er plötzlich völlig selbständig zuerst einmal den Patienten stationär oder ambulant notfallversorgen, und erst danach muß er den Facharzt rufen. Das darf er in der Nacht tun, obwohl er es am Tag unter wesentlich besseren Bedingungen nicht machen darf.

Das ist unzumutbar! Das ist fahrlässig! Das ist haftungsrechtlich einfach absolut nicht haltbar! Und das ist ein massiver Qualitätsverlust für den Patienten!


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