Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 51. Sitzung / Seite 16

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Zunahme solcher Gruppierungen gibt, die in Österreich ihr Unwesen treiben; Unwesen im wahrsten Sinne des Wortes.

Ich glaube, daß man diesen Gruppen mit aller Entschiedenheit entgegentreten muß; Gruppen, die auf der einen Seite wirtschaftliche Ansprüche gegenüber ihren Mitgliedern, Sympathisanten stellen, wo es auch zu wirtschaftlicher Ausbeutung kommt, auf der anderen Seite aber auch totalitäre Ansprüche, denen man entgegentreten muß.

Der Punkt, von dem ich denke, daß er sehr wichtig ist, und hinsichtlich dessen das Hohe Haus gemeinsame Initiativen setzen sollte, ist die Frage des Handlings dieser Gruppen. Wie gehen wir mit solchen Sekten und Psychogruppen tatsächlich um, mit Gruppen, die um eine rechtliche Anerkennung als Glaubensgemeinschaft ansuchen? – Wir wollen ja das Menschenrecht auf Glaubensfreiheit nicht untergraben, wir treten natürlich für Glaubensfreiheit ein, müssen jedoch in Wahrheit sehenden Auges erleben, daß es Psychogruppen und Sekten gibt, die Menschenleben zerstören, die – ich habe es schon gesagt – finanziell ausbeuten, in denen es sexuellen Mißbrauch und ähnliches gibt.

Das heißt, es geht um die Frage: Welche Maßnahmen finden wir, um auf der einen Seite echten Glaubensgemeinschaften, echten Religionsgemeinschaften nicht das Menschenrecht auf Glaubensfreiheit zu verwehren, auf der anderen Seite aber entschieden gegen den Mißbrauch von Menschen aufzutreten?

Es stellt sich daher an alle Fraktionen die Frage, welche Möglichkeiten der Zusammenarbeit es in diesem Bereich geben kann. Es erscheint mir breite Zusammenarbeit als ganz besonders wichtig, denn es haben zwar auf der einen Seite Information und Aufklärung, wie eben mit dieser ausgezeichneten Broschüre des Jugendministeriums, als richtiger Ansatz stattgefunden, aber wir müssen auf der anderen Seite gemeinsam auch rechtliche Maßnahmen überlegen. (Zwischenruf des Abg. Wabl. ) Auch Sie, Herr Wabl, könnten sich darüber einige Gedanken machen, rechtliche Maßnahmen überlegen, wie wir dem Phänomen der Sekten entgegentreten können; diesem Phänomen, das auch schon sehr viele Menschenleben in diesem Land zerstört hat. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

10.28

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Dr. Mertel. – Bitte.

10.28

Abgeordnete Dr. Ilse Mertel (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Hohes Haus! Der langjährige Kenner und Beobachter der Sektenszene, Hugo Stamm, übrigens auch Redakteur des "Zürcher Tages Anzeiger", meint in seinem jüngsten Buch "Sekten im Bann von Sucht und Macht" zur Gefahr von Sekten und ähnlichen Gruppierungen – lieber hören sie ja den Namen "Weltanschauungsgruppen" – folgendes – wörtliches Zitat –: "Läßt sich dieser Zeiterscheinung nicht die Spitze brechen, werden Sekten und totalitäre Gruppen als modernes Suchtphänomen zum sozial-psychiatrisch relevanten Problem, welches das Gesundheitswesen schon bald belasten könnte. Vielleicht können dann die Politiker und Behörden nicht mehr umhin, sich ernsthaft mit der unheilvollen Entwicklung auseinanderzusetzen."

Wir wissen, daß das Phänomen der Sekten und totalitären Gruppen beinahe so alt ist wie die religiösen und politischen Sehnsüchte der Menschen – das führt Stamm auch aus. Aber die Aktivitäten, die diese einzelnen Gruppierungen mit vereinnahmenden Tendenzen entfalten, grassieren heute mit einer noch nie dagewesenen Virulenz.

Deshalb ist es wichtig und richtig, daß sich der Nationalrat heute in der Aktuellen Stunde mit diesen Gefahren auseinandersetzt. Er macht dies nicht zum ersten Mal – das hat auch der Herr Minister schon ausgeführt –: Wir haben dieses Thema bereits 1993 in einem Hearing mit Experten ausreichend und ausführlich analysiert. Wir haben uns in einem Unterausschuß des Familienausschusses mit diesen Problemen umfassend auseinandergesetzt und in der Folge am 14. Juli 1994 im Nationalrat einstimmig den Entschließungsantrag gefaßt, mit dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, eine eigene Arbeitsgruppe einzurichten, eine neue Sektenbroschüre aufzulegen und Info- und Beratungsstellen einzurichten.


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