Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 51. Sitzung / Seite 26

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rechtsrelevante Tatbestände. Daher hat eine klarere Abgrenzung über das Strafrecht zu erfolgen, aber im Hinblick auf die Tatbestände. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Daher sage ich Ihnen, wir haben auf der rationalen Ebene eindeutig ein Versagen der Schulen festzustellen, weil wir in unseren Schulen die inhaltliche Auseinandersetzung mit Werten eliminiert haben. Es gibt keine Ideologiekritik als Fach, es gibt keine politische Bildung, es gibt keine Auseinandersetzung mit ethischen Positionen – es gibt zum Beispiel keinen Ethik-Unterricht. Wir haben ausschließlich eine kleine Nische – die nennen wir Religionsunterricht –, und das ist zu allen Zeiten Mission. Das soll schon sein, aber das ist Mission und keine kritische Auseinandersetzung mit Werten.

Auf den Beziehungsebenen tun wir überhaupt nichts! Wir machen zum Beispiel keine wirklich auf Beziehungsstrukturen hin orientierte Familienpolitik.

Daher: Wenn Sie hier Kriterien für Sekten aufstellen und dabei ein wichtiges Kriterium vergessen – zum Beispiel, daß sich so etwas, wie Sie es hier beschreiben, menschenrechtskonventionswidrig verhält, indem zum Beispiel Frauendiskriminierung als statutarisches Merkmal betrieben wird –, wenn Sie das also nicht drinnen haben, dann fürchten Sie sich offenbar davor, daß Sie einer großen anerkannten Religionsgemeinschaft an den Wagen fahren, die nämlich Frauendiskriminierung betreibt. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Daher bitte ich Sie: Seien Sie nicht so einäugig beim Verfassen solcher Broschüren! Auch das Bundesheer ist beschrieben als eine Organisation, die man Sekte nennen könnte; das haben Sie sicher nicht gemeint! Daher bitte ich Sie herzlich: Gehen Sie mit Redlichkeit und nicht mit vorgefaßten Meinungen an solche Dokumente, dann werden sie wertvoll sein, und machen Sie – mein Schlußsatz – nicht einen Denkfehler: daß Sie mit einer einzelnen Broschüre das Versagen der Schule ersetzen können. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ.)

11.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Am Wort ist Frau Abgeordnete Dr. Petrovic.

11.12

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Natürlich ist es immer eine Gratwanderung, zwischen positiver, nicht abzulehnender Ausübung von Religion, Religionsfreiheit, notwendiger Glaubens-, Gewissens- und Meinungsfreiheit und dem Warnen vor negativen und destruktiven Tendenzen zu differenzieren. Es ist eine Gratwanderung! Wir können nur anhand von Kriterien vorgehen, und da wird es immer eine Grauzone geben.

Ich denke, vieles ist schon gesagt worden. Ich kann in vielem auch Abgeordnetem Kier beipflichten. Ich meine auch, daß vieles, was hier in der Sektenbroschüre genannt ist, in Wahrheit weder primär eine Religionsgemeinschaft noch eine Sekte ist, sondern daß etwa Institutionen wie Scientology ganz gefinkelte Wirtschaftskonzerne sind, die mit psychologischen Methoden Menschen in Abhängigkeit bringen und finanziell ausbeuten. Und das gelingt ihnen leider auch.

Ich pflichte auch jenen bei, die dieser Broschüre Einseitigkeit vorwerfen. Ich glaube auch, sie ist einseitig – obwohl es richtig ist, einzelne Gruppierungen zu nennen: Man soll nur gefährliche Gruppierungen ansprechen. Und für mich ist ein Gradmesser auch, mit wieviel Beschwerdefällen ich konfrontiert bin. Es gibt aus dem Bereich der anerkannten Kirchen- und Religionsgemeinschaften – so falsch man ihre Lehren da oder dort auch finden mag – relativ wenige Fälle von Berichten, die jedenfalls zu mir dringen, wo Menschen an den Rand ihrer Existenz gebracht werden, wo Familien zerrüttet und Menschen in Verzweiflung gestürzt werden.

Aber, Herr Bundesminister, diese Broschüre ist tatsächlich einseitig. Gerade im Bereich rechter und rechtsextremer Gruppierungen gibt es immer mehr Berührungspunkte zu rechten Psychosekten, von denen ich glaube, daß sie nicht nur Individuen in Gefahr bringen, sondern möglicherweise auch schon drauf und dran sind, staatliche Institutionen zu unterwandern und zu gefährden. Hier kann ich Ihnen den Vorwurf nicht ersparen, daß Sie gewisse Bereiche ausgeblendet haben. Ich denke, man soll auch diese Institutionen, auch wenn sie im Nahbereich – oder


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