Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 51. Sitzung / Seite 73

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Ich glaube, auch der Finanzminister hat die Verhandlungen in diesem Punkt so verstanden, denn wirklich wichtig im Konsultationsmechanismus ist meiner Meinung nach Artikel 6 beziehungsweise eine Fußnote am Ende, die darauf hinausläuft, daß der Bund davon ausgeht, daß der Konsultationsmechanismus nur dann einen Sinn hat, wenn es außerdem noch zum sogenannten Stabilitätspakt zwischen Bund, Ländern und Gemeinden kommt. Wenn dieser Stabilitätspakt nicht geschlossen wird – das steht in einer Fußnote am Ende dieses Vertrages –, dann würde der Bund den Konsultationsmechanismus kündigen. Das ist interessant! (Abg. Dr. Haselsteiner: Wie?) Das weiß ich nicht! Wie ein Partner wieder aussteigen kann, ist in diesem Werk schon einigermaßen geregelt. Aber das wirklich Interessante ist nicht der Konsultationsmechanismus, sondern der kommende sogenannte Stabilitätspakt.

Warum ist der sogenannte Stabilitätspakt so wichtig? – Zwischen der Republik Österreich und der Europäischen Union wird es – in welcher Form auch immer – einen sogenannten Stabilitätspakt geben. Ich sage immer "sogenannt", denn zu der Zeit, als ich studiert habe, hat man unter Stabilität etwas anderes verstanden als das, was hier gemeint ist, nämlich das Zusammenwirken von niedrigen Inflationsraten, niedrigen Arbeitslosenraten, hohen Wachstumsraten und so weiter und so fort, nicht eine einseitige Ausrichtung auf bestimmte fiskalische Ziele. Aber es hat sich nun einmal der Ausdruck "stability pact" in diesem Zusammenhang eingebürgert.

Vor allem wegen der Bundesrepublik Deutschland wird es auf EU-Ebene irgend etwas in dieser Beziehung geben, wobei die Grundlinien dieses Stabilitätspakts ja schon im Maastrichter Vertrag vorgegeben sind – das wird häufig übersehen. Das, was jetzt auf politischer Ebene – namentlich in Dublin – verhandelt wird, ist "lediglich" – unter Anführungszeichen – die Auffüllung oder Konkretisierung des Maastrichter Vertrages, sozusagen die Beschleunigung des Verfahrens und – bezüglich einzelner Punkte – die genaue Festlegung des Pönale beziehungsweise der Deposits, die in Brüssel zu hinterlegen sind, wenn ein sogenanntes übermäßiges Defizit nicht abgebaut wird.

In der Beziehung zwischen der Europäischen Union und Wien gibt es keine Probleme insofern, als die Vertragspartner klar sind: Das ist einerseits der Rat beziehungsweise die Kommission in Brüssel und andererseits der Finanzminister auf österreichischer Ebene. Dieser Stabilitätspakt ist aber nicht 1 : 1 auf die österreichische Seite übertragbar, weil wir da nicht zwei, sondern ungefähr 2 010 Vertragspartner haben, nämlich über 2 000 Gemeinden, neun Bundesländer und den Bund.

Die interessante Frage dabei wird sein, was in folgendem Fall passiert: Die Republik Österreich überschreitet das zulässige Defizit von 3 Prozent des BIP und ist nicht imstande, es rechtzeitig abzubauen; es gibt die Vorschreibungen seitens Brüssel über die einschlägigen Deposits beziehungsweise das Pönale für das europäische Budget. Wer wird das bezahlen? Denn es könnte ja der Fall eintreten, daß zum Beispiel der Bund die Vereinbarungen, die innerösterreichisch getroffen wurden – also zum Beispiel für 1997 2,7 Prozent des BIP für den Bund, 0,3 Prozent für Länder und Gemeinden –, sehr wohl einhält, die Gemeinden aber in Summe deutlich darüberliegen. Was dann? Wer zahlt das Pönale? – Gegenüber Brüssel ist es klar: die Republik Österreich, das ist der Bund. Aber innerösterreichisch ist das natürlich ein gewisses Ärgernis. Es muß hier vereinbart werden, daß auch der tatsächlich Schuldige für diese Strafen aufkommt. Darüber wird auch in der Bundesrepublik Deutschland zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden sehr energisch, sagen wir, debattiert.

Bei den Gemeinden haben wir das interessante Phänomen, daß ungefähr zwei Drittel aller Gemeinden derzeit sogenannte Defizitgemeinden sind, das heißt, in ihren Budgets Defizite aufweisen, und ein Drittel der Gemeinden haben Überschüsse in ihren Budgets, Maastricht-Überschüsse. Wenn jetzt die Gemeinden insgesamt ihr Limit überschreiten, dann frage ich mich: Wer ist der Schuldige: die Gemeinden, die ihr Defizit nicht reduziert haben, oder jene, die ihre Überschüsse nicht erhöht haben? Wie machen sie überhaupt das "Individuum" fest innerhalb der 2 000 Gemeinden, die dann das Pönale zu zahlen hätten?

Das sind sehr interessante und, wie ich versuche anzudeuten, komplizierte Fragen – Herr Kollege Lukesch nickt zustimmend –, die in Wahrheit viel wichtiger und viel interessanter sind


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