Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 51. Sitzung / Seite 83

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Diese unterschiedlichen Angaben zur Betroffenheit verweisen auf ein grundlegendes Problem, nämlich die unzureichende Datenlage in diesem Bereich. So verfügt Österreich nicht nur über keine aktuelle einheitliche Steuerstatistik über alle steuerpflichtigen Einkommen, die Daten im Bereich selbständige Einkommen sind jeweils extrem veraltet und äußerst mangelhaft. Im Bereich oberer Einkommen sind die Statistiken besonders lückenhaft, da die Lohnstufenstatistik des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger nur bis zur Höchstbemessungsgrundlage, das sind derzeit 39.000,- Schilling, erfaßt und die Mikrozensusdaten im oberen Bereich von einer hohen Verweigerungsquote verzerrt sind.

Dazu meinte schon Ferdinand Lacina "Wir zählen mit Akribie die Anzahl der Obstbäume, aber wir behandeln die Vermögen sehr diskret und das ist kein Zufall. In diesem Bereich sind eben die politischen Widerstände ziemlich groß."

Einkommensarmut ist ein wichtiger Aspekt neben anderen Formen sozialer Ausgrenzung. In einer Gesellschaft, in der Lebenschancen vorwiegend über Einkommen aus Erwerbsarbeit verteilt werden, in der auch die Sozialversicherung auf das Normalarbeitsverhältnis zugeschnitten ist, sind Arbeitslosigkeit und geringes Einkommen wesentliche Armutsfaktoren. Neben Einkommensarmut werden aber andere Formen sozialer Ausgrenzung sichtbar: Segregationserscheinungen wie die räumliche Konzentration von Armut im ländlichen Raum oder die zeitliche Verdichtung von Risikolagen in bestimmten Phasen des Lebenslaufs.

Armutsgefährdung entsteht nicht nur einkommensbedingt. Armut in Österreich hat viele Gesichter und Namen. So kann man neben der Geldarmut auch eine Altersarmut, eine regionale Armut, eine ethnische Armut, eine vererbte Armut, aber auch eine Zeitarmut feststellen, um nur einige der Kategorien zu benennen.

So forderte beispielsweise D. Robbins 1994 im 3. Annual Report der EU-Kommission DC V daß das Recht auf Arbeit, das Recht auf Wohnung, das Recht auf eine menschenwürdige existenzminimale Sicherung, das Recht auf Bildung und das Recht auf Gesundheit als zentrale Lebensbereiche in alle Überlegungen miteinzubeziehen sind. Erst deren Zusammenführung lassen Aussagen über den Grad sozialer Integration bzw. sozialer Ausgrenzung zu. Zugleich bedingen sich diese Rechte und deren Verwirklichung, sodaß damit zugleich die Multidimensionalität von Prozessen sozialer Ausgrenzung zum Ausdruck kommt. Umgekehrt hat Politik bei ihren Strategien zur Bekämpfung sozialer Ausgrenzung und Verarmung diese Wechselwirkungen mitzubedenken, und in praktische Konzepte umzusetzen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

Dringliche Anfrage:

1. Auf internationaler Ebene gibt es in einigen Ländern nationale Beobachtungsstellen, beispielsweise in Irland die "Combat Poverty Agency".

a) Ist daran gedacht, in Österreich eine solche nationale Beobachtungsstelle auf Bundesebene einzurichten (das ÖSTAT kann insbesondere nach dem Abgang des dort federführend für Armutsforschung zuständigen Beamten keinen Ersatz für eine solche darstellen)?

b) Wenn nein, warum nicht?

c) Wenn ja, mit welchen Personal- und Mittelausstattungen?

2. In Österreich sind zivilgesellschaftliche Organisationen, welche durch ihre Tätigkeiten über besonderes Know-how verfügen, bis jetzt nicht in den Dialog über Mängel und mögliche Maßnahmen einbezogen.

In welcher Form können Sie sich eine Einbeziehung dieses wertvollen Wissens vorstellen und wann werden Sie welche Umsetzungsschritte für die Etablierung eines laufenden Informationsaustausches setzen?


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