Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 52. Sitzung / Seite 110

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Die Tourismuswirtschaft kann und muß ihre Marktchancen nutzen, denn Österreich liegt inmitten der wohlhabendsten Region Europas. Die Vollendung des Schengener Raumes und die Einbeziehung Österreichs in die Wirtschafts- und Währungsunion werden die Bedeutung unseres Landes als Freizeitregion Europas stärken. Die Öffnung der Reformstaaten schafft schrittweise, aber bereits spürbar, neue Märkte.

Die Kulturdestination Österreich ist ein starker Angebotsfaktor vor allem im internationalen Tourismus, was beispielsweise die Erfolge der Stadt Wien beweisen. Die touristische Infrastruktur und Suprastruktur Österreichs ist in ihrer Dichte weltweit ungeschlagen und noch intakt. Saubere Umwelt sowie Sicherheit und Stabilität im Inneren zeichnen Österreich gegenüber anderen Tourismusnationen aus. Eine als Gastgeber erfahrene Bevölkerung und der hohe Ausbildungsstand in der Branche sind ein Wettbewerbsvorteil der Zukunft.

Ein breites arbeitskostenloses Angebot an Ferienwohnungen, Privatvermietung und Urlaub am Bauernhof kann bei der Preiskonkurrenz mithalten. Demgegenüber müssen aber die Rahmenbedingungen für das dienstleistungsintensive und damit arbeitskostenintensive Hotelprodukt so sorgfältig verbessert werden, daß dieses seine Chancen im weltweiten Qualitätswettbewerb effizient nutzen kann.

Der Strukturwandel zwingt insbesondere die betriebliche Ebene zur absoluten Kundenorientierung. Nur die unbedingte Ausrichtung der Unternehmensphilosophie auf die Wünsche der Gäste führt, wie erfolgreiche Betriebe zeigen, zur notwendigen Auslastung. Die Qualität der Leistungen muß im gleichen Maße steigen, wie die weltweite Konkurrenz durch Kosten- und Währungsvorteile preiswerter wird. Durch kompromißloses Kostenmanagement muß auch bei geringeren Erlösen erfolgreich gewirtschaftet werden.

Diese Herausforderung werden nur Teile der Branche meistern können. So sehr das persönliche Schicksal betroffen macht, werden die vom Markt nicht mehr angenommenen Betriebe ausscheiden müssen. Es ist daher auch Aufgabe der Gemeinden (durch Umwidmungen), der Länder (durch Änderungen der Grundverkehrsgesetze) und des Bundes (durch Senkung der Besteuerung der Buchgewinne bei Betriebsauflösungen oder Änderung der Einkommensart), diesen Ausstieg auch ohne Konkurs zu ermöglichen. Nur wenn durch erweiterte Verwendungsmöglichkeiten der Gebäude und Liegenschaften der ausscheidenden Betriebe diese einen neuen Marktwert erhalten, ist die vom Markt diktierte Schrumpfung der Bettenkapazitäten einigermaßen friktionsfrei möglich.

Darüber hinaus müssen die örtlichen und regionalen Tourismusverbände ihre Aufgabengebiete neu definieren und die Rolle regionaler Produktmanager übernehmen. Die Erkenntnis, daß einzelne Angebote unverkäuflich sind und erst durch ihre Kombination und Abstimmung zu verkäuflichen Produkten werden, ist noch ungenügend umgesetzt. Kooperation auf allen Ebenen ist das Gebot der Stunde (Destinationsmanagement).

Die Formulierung klarer Leitbilder und die Ableitung von Produkten, die auf die am Markt erkannten Kundenbedürfnisse abgestimmt sind, ist die Voraussetzung für erfolgreichen Verkauf. Die Vertriebswegepolitik wird sich auf unseren Kernmärkten Österreich, Deutschland, Holland und der Schweiz (rund 85% aller Nächtigungen) auf die direkte Ansprache des Gastes konzentrieren, ohne die Reisebürowirtschaft zu vernachlässigen. Auf den übrigen europäischen Märkten und in Übersee ist der indirekte Vertriebsweg (Touroperator) dominierend. Die Anbindung an die elektronischen Kommunikationswege und Reservierungssysteme ist in jedem Fall unverzichtbar.

Die für den Tourismus zuständige Landesebene wird klare Entscheidungen treffen müssen, wo und in welcher Form die Angebotsentwicklung ermöglicht und gefördert wird, wobei der Revitalisierung bestehender lebensfähiger Betriebe im Umfeld funktionierender Fremdenverkehrsorte oder -regionen Priorität vor Neuerschließungen einzuräumen ist. Die Förderungspolitik ist im wesentlichen auf Risikokapitalaufbringung auszurichten, um neuen innovativen Konzepten zum Durchbruch zu verhelfen, die durch Angebotsverbesserung die Produktreife erreichen wollen.


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