Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 52. Sitzung / Seite 115

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Es war ja nicht zu glauben, daß sich dieses Wachstum über 40 Jahre immer endlos fortsetzen würde. Es war ja zu erwarten, daß eine Konsolidierungsphase eintritt. Diese Konsolidierungsphase ist nach der Bruchlinie des Jahres 1992 eingetreten und ist im Sommer 1996 zur offenen Krise geworden.

Die Kooperation im Tourismus wird in Zukunft das Gebot der Stunde sein, denn nicht die Summe der einzelnen Angebote ist verkäuflich in den Tälern, in den Orten, in den Städten, sondern das Produkt, das daraus gemacht wird. Das Schlagwort "Destinationsmanagement" faßt das zusammen. Es bedarf nur im ganzen Land des Verständnisses dafür, daß Tourismus ein Wirtschaftszweig sui generis ist, erstens, weil er in einem vollkommen offenen Markt im weltweiten Wettbewerb arbeitet, zweitens, weil nur 50 Prozent der Kaufkraft des Urlaubsbudgets des Gastes direkt in die tourismusnahen Betriebe – Hotellerie und Gastronomie – gehen und die zweite Hälfte direkt in alle anderen Branchen fließt und daher der Tourismus eine sehr, sehr hohe Multiplikatorwirkung auf die Beschäftigung hat. Es gibt keine Branche, die eine so hohe regionalpolitische Komponente hat. Es gibt ganze Täler, ganze Seeufer, ganze Gegenden in Österreich, die ohne die touristische Wertschöpfung potentielle Absiedlungsgebiete wären.

Der Gast, der zum Beispiel von Österreich aus nach Tunesien fliegt, macht eine Metamorphose durch. Er wird ein wunderbarer, großer Luxusschmetterling, weil er in einem Land mit weicher Währung und niedrigen Löhnen aussteigt und sich dort die Dienstleistungen eines Fünfsternehotels leisten kann, die ihm in Österreich verwehrt sind. Genau dasselbe passiert dem Gast, der von Tunesien zu uns fährt. Selbst wenn er dort über ein relativ hohes Einkommen verfügt, wird es für ihn schwierig sein, seinen Lebensstandard bei unserer harten Währung und unserem hohen Kostenniveau weiter aufrechtzuerhalten. Das ist der Grund, warum die billigen Flugpreise meistens – nicht nur, aber meistens – nur in eine Richtung stimulierend funktionieren.

Meine Damen und Herren! Dennoch ist Österreich voller Marktchancen. Ich glaube an dieses Produkt! Dieses Land hat eine hervorragende infrastrukturelle Eignung für die Freizeitwirtschaft und für den Tourismus. Es gibt in Österreich so schöne Gegenden, die aus dem touristischen Weltatlas nicht wegzudenken sind. Wir liegen in der Mitte der Märkte. Mit unseren mittel- und südosteuropäischen Nachbarn wachsen neue Märkte zu. Wir liegen als Kulturdestination an der Spitze Europas. Wir haben noch eine funktionierende Suprastruktur im Bereich der Betriebe, obwohl ein Drittel bereits wegzubrechen droht und wegbrechen wird, und wir haben eine phantastische Infrastruktur.

Meine Damen und Herren! In Summe gesehen hat Österreich vom Neusiedlersee bis zum Bodensee ohne Zweifel noch weltweit das beste touristische Produkt. Warum gelingt es also dann nicht, diese phantastischen Marktchancen auszunützen? – Da gibt es viele eigene Fehler, viele eigene Schwächen der Branche, die hier nicht zu diskutieren sind, die die Branche selbst zu bereinigen hat. Aber es gibt vor allem auch den Bereich der Rahmenbedingungen, die wir hier im Parlament zu diskutieren haben, die auf Gemeindeebene, auf Länderebene und vor allem auf Bundesebene relevant sind.

Tourismus geht nun einmal immer von Hartwährungsländern zu Weichwährungsländern. Die Menschen wollen zu Hause in harter Währung bezahlt werden und ihr Geld dort ausgeben, wo ihre Währung viel wert ist. Denken Sie an den Binnenwert des amerikanischen Dollars, der bei 16 beziehungsweise 17 S liegt, und kaufen können Sie ihn um 11 S am Schalter. Tourismus geht immer von Hochlohnländern zu Niedriglohnländern. Die Menschen wollen zu Hause viel verdienen und selbstverständlich dort, wohin sie auf Urlaub fahren, von Menschen bedient werden, die wenig verdienen. Das sagen sie nicht implizit, aber das ist ihre Reiseentscheidung, wenn sie sich für Billigdestinationen entscheiden.

Diesen Weg umzudrehen ist unsere Aufgabe. Das wird sehr schwierig sein. Aber eines steht fest: Über den Preis werden wir diesen Wettbewerb am Kostenstandort Österreich nie gewinnen können. Wir werden ihn möglicherweise über die Qualität gewinnen können, wobei Qualität nichts mit Sternen zu tun hat, sondern mit der Art von Dienstleistung, die der Kunde nachfragt, die dessen Bedürfnisse erfüllt.


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