Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 52. Sitzung / Seite 133

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Ich glaube, man muß diese Krise der Tourismuswirtschaft im engen Zusammenhang mit anderen Branchen sehen. Sehr viele andere Branchen, zum Beispiel die Handwerker, das Baugewerbe, alle Zulieferbetriebe, sind in hohem Maße vom Erfolg oder Mißerfolg im Tourismus abhängig.

Wenn man sich die Situation in Tirol anschaut, dann sieht man, daß der Tourismus in Tirol der zweitgrößte Dienstgeber ist. Er beschäftigt immerhin rund 28 000 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und bildet 1 400 Lehrlinge aus. Die Situation in den vergangenen Saisonen war katastrophal. 1 200 Jugendliche blieben ohne Beschäftigung, das ist ein relativ hoher Prozentsatz von der ohnehin sehr hohen Arbeitslosenrate im Tourismusbereich in Tirol: Ich spreche dabei von nicht mehr und nicht weniger als rund 37 Prozent!

Ich denke aber auch an Täler Tirols, in denen die Landwirte vielfach auf einen Nebenerwerb im Tourismusbereich angewiesen sind, diesen Nebenerwerb aber nicht mehr lukrieren können. Da hat mein Kollege Haselsteiner schon recht, wenn er sagt, daß wir hier schon bald die Armutsdiskussion neuerlich werden führen müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben in Zeiten des scheinbar grenzenlosen Wachstums die Kapazitäten vielleicht auch unkontrolliert ausgeweitet. Heute stellt sich die Situation so dar, daß viele Betriebe – die Zahl von einem Drittel wurde schon genannt – hoch verschuldet dastehen. Ich freue mich, Herr Minister, wenn Sie zumindest zusichern können, daß Sie für diese Betriebe nach Möglichkeit die Chance des Ausstiegs oder des, wenn Sie so wollen, geordneten Rückzuges, ohne in Konkurs gehen zu müssen, sicherstellen wollen, denn seit dem letzten Sparpaket haben sich immerhin die Steuern für Veräußerungsgewinne – vielfach nur fiktive, rein buchhalterische Veräußerungsgewinne – verdoppelt.

Ich bin auch sehr froh, daß Sie angesprochen haben, daß über Getränkesteuer, über Kommunalsteuer nachzudenken sein wird, daß wir vielleicht ein neues System der Gemeindefinanzierung entwickeln müssen. Denn diese Steuern wirken nicht nur in dem Sinn wettbewerbsverzerrend, daß sie den Kostenfaktor Arbeit erhöhen, sondern sie führen letztendlich auch dazu, daß Gemeinden aus Angst vor drohenden Einkommensverlusten Umwidmungen von Hotels in Wohnungen nicht zustimmen. Ich könnte Ihnen viele Beispiele aus Tirol aufzählen, wo das der Fall ist.

Ich habe schon Verständnis für den Bürgermeister, der diese Umwidmung nicht zulassen will, weil er weiß, daß ihm nicht nur die Getränkesteuer und die Kommunalabgabe, sondern auch noch die Kaufkraft des Gastes verlorengehen und daß er bei einem Mehr an Wohnungen eventuell sogar noch mit zusätzlichen Kosten im Bereich der Kinderbetreuung und so weiter konfrontiert ist.

Wie wenig ernst man es eigentlich mit dem Tourismus in Österreich meint, geht ja aus vielen Detailbereichen deutlich hervor, und ich gebe Ihnen recht, Kollege Puttinger, wenn Sie sagen, Qualitätstourismus muß die Devise sein. Wir wissen aber, daß gerade Qualitätstourismus sehr dienstleistungsintensiv ist. Die Arbeitskosten für Dienstleistungen sind für den Unternehmer in der derzeitigen Situation nicht leistbar. Es fehlen nach wie vor flexiblere Arbeitszeitmodelle, es fehlt nach wie vor die Entlastung des Kostenfaktors Arbeit.

Weil wir gerade von Qualität sprechen und die Ausbildungsqualität heute schon andiskutiert haben, und zwar auch im Rahmen der heutigen Debatte über die Gewerberechtsnovelle: Herr Minister! Wenn Sie sagen, daß ein kommender Entwurf es ermöglichen wird, im Rahmen einer Lehrzeit mehrere Qualifikationen zu erwerben und das insbesondere für das Gastgewerbe sehr günstig wäre, dann stimme ich Ihnen zu. Leider fehlt aber derzeit jegliche Zielorientierung.

So wird zum Beispiel die Landesberufsschule für Gastgewerbe in Tirol derzeit mit einer Landesberufsschule für das Baugewerbe gekoppelt – das muß man sich einmal vorstellen; nicht etwa für das Nahrungsmittelgewerbe, nicht für Konditoren, nicht für Metzger, wo eine sinnvolle berufliche Kombination möglich wäre –, was auf jeden Fall zu Lasten der schulischen Ausbildungsqualität gehen wird, da die Lehrlinge des Gastgewerbes im Rahmen ihrer schulischen Ausbildung das Kantinenessen für die Lehrlinge des Baugewerbes kochen müssen, sodaß eine


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