Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 52. Sitzung / Seite 155

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materiellen Sinn nicht möglich. Im formellen Sinn könnte der Bundeskanzler auch dann sagen: Ich bin nicht wirklich zuständig!, aber im materiellen Sinn wäre eine solche Anfragebeantwortung nicht möglich.

Ich kann auch nicht ganz einsehen, warum sich der Bundeskanzler der Republik im Jahre 1996 in diesem Maße vor die Bundesregierungen der Jahre 1945 und folgende stellt, wissen wir doch heute alle, daß damals sehr viele Fehler begangen wurden, auch und im übrigen – und da knüpfe ich bewußt an die Ausführungen des Kollegen Ofner an – im Hinblick auf jene Menschen, die als Vertriebene und Geflüchtete zu uns gekommen sind und die wir keineswegs mit humanitärer Liebenswürdigkeit aufgenommen haben. Im Gegenteil: Ich möchte schon einmal auch von dieser Stelle aus daran erinnern, daß die damaligen Bundes- und Landesregierungen sogar teilweise bemüht waren, in Form eines ganz merkwürdigen Austausches diese Menschen in die Sowjetunion zu "exportieren". Es waren das Landeshauptleute – wie Gleißner –, die das glühenden Herzens verfolgt haben, nämlich die Abschiebung Heimatvertriebener.

Es ist dieser Satz "Wir sind dafür, die Sache in die Länge zu ziehen", jetzt bezogen auf das Thema der Anfrage, hier in anderen Worten wiedergegeben. Wenn nämlich die Fragen 1 bis 9 beziehungsweise 10 mangels Zuständigkeit nicht beantwortet werden, wie der Herr Staatssekretär das auch noch einmal ausgeführt hat, warum konnten dann die ebenfalls mangels Zuständigkeit eigentlich unbeantwortbaren Anfragen 11 bis 18 beantwortet werden? Da hat offensichtlich der Finanzminister Auskünfte gegeben, und der Herr Bundeskanzler hat in seiner Koordinierungseigenschaft antworten können. Bei den Fragen 1 bis 9 und 10 war das aber offenbar nicht der Fall.

Eine Antwort auf die Frage 11 konnte mangels konkreter Unterlagen und Informationen nicht gegeben werden. Weil verläßliche Daten nicht vorhanden sind, heißt es, ist es nicht möglich, Schätzungen vorzunehmen, und somit wurden und werden auch keine Stellen mit derartigen Arbeiten beauftragt. – Das ist die Frucht dieser Philosophie. Es wurden von vornherein erst gar nicht solche Informationen entwickelt, und natürlich ist es dann schwierig, 50 Jahre nachher zu rekonstruieren.

In einem Punkt muß ich der Kollegin Stoisits lückenlos recht geben: Die Grundbücher sind offen, sie haben den Krieg in aller Regel überstanden. Sie sind lückenlose Ketten von Dokumenten, daher wäre zumindest im Bereich der Liegenschaften, aber auch in anderen Bereichen natürlich auch heute noch eine wesentlich präzisere Antwort möglich. – Möglicherweise mangels Zuständigkeit nicht durch den Herrn Bundeskanzler persönlich, aber, bitte, das ist in einer solch politischen Frage keine gute Antwort.

Ich verstehe, daß man sich als ressortführender Minister oder eben als Bundeskanzler bei der Beantwortung von Fragen, die irgendwie lästig sind, auch hinter diese formale Antwort zurückziehen kann, und das ist legitim, wenn es sich um eine Frage handelt, die erkennbar danebenliegt. Aber bitte: Wem sonst als dem Bundeskanzler soll man so eine allgemein-politische Frage stellen?

Natürlich kann man sie jetzt auch an den Herrn Finanzminister wiederholen. Ich fürchte nur, die Antwort wird materiell nicht viel mehr hergeben, weil wir eben – und das ist mein Schlußsatz; ich wiederhole den Beginn – in einer Republik leben, deren erste Regierungen der Philosophie gefolgt sind: "Wir sind dafür, die Sache in die Länge zu ziehen." Und die Schatten dieser Philosophie holen uns halt immer wieder ein. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum.)

18.09

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Der letzte Redner in dieser Debatte ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte, Herr Abgeordneter.

18.09

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Laufe dieser Debatte habe ich gemerkt, daß es uns noch immer schwerfällt, zu diesem Thema die passenden Worte zu finden, eine Sprache zu sprechen, in der wir


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