Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 52. Sitzung / Seite 154

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keineswegs in guter Gesellschaft: Wir verfolgen dieser Tage den Eiertanz der honorigen Schweiz, die sich auf dem Sektor Gold mühsam windet, um nur ja nicht wahrscheinlich sehr große Mengen davon und auch hohe Beträge, die in diesem schrecklichen Jahrzehnt auf ihren Konten und in ihren Tresoren gelandet sind, auf Heller und Pfennig herausgeben zu müssen. Nach dem alten Wort: "Wo es keinen Kläger gibt, gibt es keinen Richter!" haben wahrscheinlich auch die Schweizer Bankiers gehofft, daß sich nie jemand um diese Goldmengen und um die entsprechenden Geldbeträge kümmern würde.

Wir haben andere Nachbarn, etwa Tschechien oder Slowenien, aber auch noch andere Länder, die begangenes Unrecht aus diesem Jahrzehnt nicht einmal zugeben, ja die es dort, wo sie es zugeben müssen, als Recht bezeichnen, denen jedes Unrechtsgefühl gegenüber indirekten Opfern des verbrecherischen NS-Regimes fehlt und die nicht bereit sind, auch nur zuzugeben, daß das Vertreiben von Millionen von Menschen, das Umbringen von Hunderttausenden von ihnen entsetzliches Unrecht gewesen ist, das Umbringen von Menschen, hinsichtlich welcher man persönliche Schuld nicht einmal behauptet hat.

In Österreich sind die Dinge auf den Tisch gelegt worden, was wir alle miteinander für richtig halten und worauf wir auch ein bißchen stolz sein dürfen. Wir haben uns bemüht, Schadensgutmachung zu leisten, aber wir wissen natürlich, daß in allen diesen Dingen immaterieller Schaden nicht gutgemacht werden kann.

Es geht uns darum, daß man nicht so engherzig ist und nur bei den direkten Opfern des verbrecherischen Systems des Nationalsozialismus stehenbleibt. Ich fordere ein und ersuche die Bundesregierung und bitte die Verantwortlichen, etwas weiterzugehen und sich nun auch der indirekten Opfer des verbrecherischen Systems des Nationalsozialismus anzunehmen. Das sind die, hinsichtlich derer man das damals an den Tag gelegte Unrecht bis heute nicht zugibt, bis heute nicht auf den Tisch legt und dort, wo einem gar nichts anderes übrigbleibt, als es zuzugeben, als "Recht" bezeichnet. Das sind diejenigen, hinsichtlich derer man gar nicht daran denkt, auch nur irgendeine Schadensgutmachung zu leisten, nämlich die Vertriebenen, die Hinterbliebenen der Ermordeten, die ehemaligen gefangenen Altösterreicher aus den Nachfolgestaaten der ehemaligen österreichisch-ungarischen Monarchie. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich wiederhole noch einmal: Wir alle miteinander in diesem Haus und über seine Mauern hinaus stellen aufgrund der Anfragebeantwortung durch den Kanzler und der ergänzenden Ausführungen durch seinen Staatssekretär fest, daß Österreich sehr viel getan hat. Wir wollen aber nicht, daß man auf dieser Basis stehenbleibt. Wir wollen, daß auch die Nachbarländer dazu gebracht werden, begangenes Unrecht auf den Tisch zu legen, einzugestehen und nach Möglichkeit gutzumachen. Und wir glauben, daß Österreich auch die Verpflichtung hat, auf diesem Sektor mitzuhelfen, daß etwas geschieht, daß Unrecht wiedergutgemacht wird, daß der Schaden, wo immer es möglich ist, wiedergutgemacht wird! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

18.04

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Vorletzter Redner in dieser Debatte ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte.

18.04

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich kann unmittelbar an die Ausführungen meines Vorredners anknüpfen und durchaus unterstreichen, daß es in diesem Feld mehr gibt, als wir heute im Rahmen dieser Anfragebeantwortung diskutieren können. Aber es ist doch sinnvoll, gelegentlich daran zu erinnern, daß sich die Republik Österreich im ersten Jahr nach der Befreiung sehr ambivalent verhalten hat.

Ich zitiere aus den seinerzeitigen Ministerratsprotokollen den denkwürdigen Satz, der auch der Titel eines Buches geworden ist: "Wir sind dafür, die Sache in die Länge zu ziehen." – Sie ernten jetzt das, was damals gesät wurde. Hätte man sich damals nicht der Philosophie bedient: "Wir sind dafür, die Sache in die Länge zu ziehen!", wäre eine solche Anfragebeantwortung im


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