Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 52. Sitzung / Seite 156

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uns alle verständigen können, in der nicht sofort ein Mißverständnis auftaucht, in der nicht sofort ein Verdacht auftaucht.

Frau Abgeordnete Frieser! Ich beziehe mich besonders auf Ihre Ausführungen. Wenn Sie angesichts der Tatsache, daß eine Abgeordnete im Namen von Betroffenen eine Frage nach dem geraubten Vermögen stellt, meinen, diese Frage diene nicht der Versöhnung, weil hier nach materiellen Werten gefragt werde, und zwar ganz eindeutig nach jedem geraubten Vermögensbestandteil, und nichts ausgelassen wurde in der Anfragestellung, wenn also der Vorwurf an die Fragestellerin lautet, diese Frage sei viel zu präzise, viel zu exakt, man wolle das eigentlich nicht bis ins Detail erörtern, heute, 50 Jahre nach dem Ende des Krieges, dann ist das meiner Meinung nach ein Teil des Problems, das ich zu Beginn meiner Ausführungen geschildert habe.

Bei mir ruft ein Satz wie der Ihre grobe Mißverständnisse hervor. Ich will Ihnen nicht unterstellen, Frau Abgeordnete Frieser, daß Sie hier vertuschen und zudecken wollen, aber Sie müssen sich selbst die Frage stellen, ob Sie sich mit dieser Antwort eindeutig im Sinne der Opfer ausgedrückt haben.

Es geht nicht darum, Herr Staatssekretär, daß irgend jemand dem Bundeskanzler unlautere Absichten unterstellt hätte oder seine Verdienste in dieser Sache nicht würdigen würde. Gerade deswegen, weil wir als grüne Fraktion eindeutig anerkennen, daß sich der Bundeskanzler diesbezüglich Verdienste erworben hat, war es für uns eher beschämend, daß die Antwort so knapp und dürftig ausgefallen ist. Ich halte es nicht für akzeptabel, daß sich der Bundeskanzler darauf ausredet, daß er für diese Sache nicht zuständig sei. Der Bundeskanzler dieser Republik hat sich sehr wohl und zu Recht für zuständig erklärt, als es darum gegangen ist, sich für diese Republik und nicht nur für sich als Person – das hoffe ich doch – bei den Opfern zu entschuldigen. Da hat er gewußt, worauf es ankommt, daß er gefordert ist – nicht als Person, sondern als Bundeskanzler dieser Republik. Ich halte es daher für unangemessen, sich in dieser Frage als nicht zuständig zurückzuziehen.

Meine Damen und Herren! Es geht hier nicht darum, daß den Opfern großes Unrecht widerfahren ist, daß sie großen Schaden erlitten haben in immateriellem Sinne, daß sie gepeinigt worden sind, sondern es geht bei dieser Anfrage ganz konkret um das geraubte, gestohlene, arisierte Vermögen. Und natürlich ist es richtig, was Herr Abgeordneter Kier gesagt hat: Das hängt mit dieser österreichischen Geschichte des Vergessens und Verdrängens und In-die-Länge-Ziehens zusammen, daß wir uns heute hier noch immer mit dieser Frage auseinandersetzen müssen.

Ich sage Ihnen: Das wäre in dieser Form in der Bundesrepublik Deutschland nicht möglich. Wir haben uns immer für unzuständig erklärt. Die Bundesrepublik Deutschland mußte sich – zu Recht – für zuständig erklären. Österreich hat sich immer vor der Verantwortung gedrückt, hat immer seine Rolle als Opfer und als Täter schillern lassen.

Ich möchte auf einen Punkt zurückkommen, weil Sie auch ein Angebot gemacht haben, Herr Staatssekretär. Ich glaube, es geht nicht darum, daß wir hier heute und in den nächsten Jahren eine genaue Dokumentation liefern darüber, was hier an Vermögen tatsächlich den Opfern entwendet, gestohlen wurde. Es geht im wesentlichen darum, daß sich die Bundesregierung für zuständig erklärt, und wenn Sie bereit sind, Herr Staatssekretär, wenn die Bundesregierung bereit ist, den Opfern hier eine Anwaltschaft zur Verfügung zu stellen, dann wäre das ein Schritt vorwärts, damit sich die Opfer tatsächlich noch einer Unterstützung der Republik sicher sein können.

Wenn Sie, die Bundesregierung, etwa auch bereit wären, das Projekt Familienzusammenführung für die Opfer zu unterstützen – und das ist kein unwesentlicher Punkt –, dann wäre das ein weiterer Schritt vorwärts. Beim Projekt Familienzusammenführung geht es nur darum, daß die Opfer, solange sie noch leben, die Möglichkeit erhalten, zu erfahren, wo ihre Familienmitglieder verstorben sind oder in welche Richtungen sie zerstreut worden sind. Das ist eine Auf


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