Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 53. Sitzung / Seite 79

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Was ist bei diesem Gesetz passiert? – Das ursprüngliche Gesetz wurde Schritt für Schritt demontiert.

Demontage Nummer eins von Frau Gesundheitsministerin Krammer: Sie hat als Zuckerl, wie wir alle wissen, für die Länder, damit diese ihren Gesetzen zustimmen, die Rufbereitschaft eingeführt; die Rufbereitschaft, die von allen Gesundheitsberufen dezidiert abgelehnt wurde. Und dann ist der Herr Minister, der an sich ein gutes Gesetz gemacht hätte, von den Koalitionspartnern, von den Ländern in die Knie gezwungen worden, und zwar gerade von jenen Ländern, die dieses Gesetz am notwendigsten gebraucht hätten, zum Beispiel von meinem Bundesland Oberösterreich. (Abg. Dr. Leiner: Die haben alle dafür gestimmt!) Mein Bundesland hat nämlich pro 100 Betten nur 17 Ärzte, in Wien sind es 34 Ärzte pro 100 Betten. Dort braucht man Ärzte, gerade dort wäre die ursprüngliche Fassung des Arbeitszeitgesetzes wirklich ein Gewinn gewesen.

Die gesetzliche Regelung ist nach wie vor unklar. In der Ausschußfeststellung steht ja, daß die Rufbereitschaft nicht Arbeitszeit ist. Verwiesen wird auf OGH-Urteile. Ich zitiere Ihnen jetzt das OGH-Urteil, auf das verwiesen wird; ich habe es mir natürlich angesehen, weil ich wissen wollte, worum es geht.

Da heißt es: Nach ständiger Judikatur und Lehre handelt es sich beim Bereitschaftsdienst in Form der Rufbereitschaft, bei der der Dienstnehmer nicht an der Arbeitsstätte selbst oder in deren unmittelbaren Nähe anwesend zu sein hat, sondern seinen jeweiligen Aufenthaltsort wählen kann, so wie er will, und den Dienstgeber nur davon unterrichten muß, wo er erreichbar ist, nicht um eine Arbeitsleistung selbst, sondern um eine andere Leistung, die der Dienstnehmer nicht schon aufgrund der ihn betreffenden allgemeinen Treuepflicht zu erbringen hat, sondern die ausdrücklich vereinbart werden muß.

Das bedeutet, er kann dort sein, wo er will. Aber so ist es ja nicht bei der ärztlichen Rufbereitschaft! Bei der ärztlichen Rufbereitschaft muß der Arzt in absehbarer Zeit da sein, sonst ist es ja sinnlos. Der Arzt kann nicht seinen Aufenthaltsort, wie Frau Kollegin Pittermann gesagt hat, wenn er in Wien arbeitet, in Linz oder am Attersee wählen, sondern er muß da sein. Und wenn er Arbeitszeit hat, wenn er drei Stunden zum Beispiel anwesend ist, wird er ja sogar gleich entlohnt, als müßte er einen Anwesenheitsdienst insgesamt machen. Also auch das ist Arbeitszeit und nicht Rufbereitschaft!

Der Streitpunkt ist die Fahrzeit. Was machen wir denn mit der Fahrzeit? Ist das Arbeitszeit oder nicht? – Sie wissen auch, daß diese Regelung nicht mit den EU-Richtlinien übereinstimmt, die nur eine Ruhezeit und eine Arbeitszeit kennen, aber keine Rufbereitschaft.

Nächster Punkt: Arbeitnehmerschutz. Ich mit meiner naiven politischen Auffassung habe mir gedacht, daß Sie (in Richtung SPÖ) die Fraktion sind, die sich wirklich mit Arbeitnehmerschutz befaßt und sich wirklich darum kümmert. (Abg. Mag. Guggenberger: Das ist nicht naiv, sondern das ist richtig!) Aber mit diesem Punkt der Ausnahmeregeln, Herr Magister, daß nämlich durch Betriebsvereinbarungen oder im Einvernehmen mit der Personalvertretung vom ohnehin schon aufgeweichten Arbeitszeitgesetz vorübergehend Ausnahmen gemacht werden können, wenn die Wahrung der Interessen von Patienten oder die Aufrechterhaltung des Krankenanstaltenbetriebs diese notwendig machen, haben Sie das Gegenteil bewiesen.

Dieser Punkt ist ja sehr weit gefaßt, denn der Dienstgeber kann immer argumentieren: Die Wahrung der Interessen von Patienten, die Aufrechterhaltung des Krankenanstaltenbetriebs machen dies notwendig. Und der Dienstnehmer, zum Beispiel der kleine Turnusarzt, wird "sicher nicht", wenn schon zehn andere auf den gleichen Platz warten wie er, in die Betriebsvereinbarung einwilligen, der wird sagen: Nein, ich nicht! Ich stelle meinen Arbeitsplatz gerne den neun anderen, die darauf warten, zur Verfügung.

Es ist dies für mich wirklich kein gesetzlich definierter Arbeitsschutz! (Beifall bei den Freiheitlichen und der Abg. Dr. Gredler. )


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