Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 57. Sitzung / Seite 105

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Der OECD-Bericht spricht also eine eindeutige Sprache und bestätigt, was wir schon im Rahmen der letzten Budgetdebatte hier mit Ihnen zu diskutieren und aufzuzeigen versucht haben. Es wird zwangsläufig dazu kommen, daß für die Budgets 1998 und 1999 nochmals Belastungspakete zu schnüren sind. In vielen Bereichen wurden nur einmalige Maßnahmen ergriffen. Bisher fehlen uns von Ihnen jegliche Angaben darüber, in welche Richtung solche Maßnahmen gehen sollen.

Sie haben von einer Steuerreform gesprochen. Ich möchte – das hat heute zu meinem Bedauern hier noch niemand getan – darauf hinweisen, daß in dieser Woche in Salzburg eine Armutskonferenz stattfindet. Dort wird immer wieder betont, daß in Österreich, in dem Land, von dem alle Vorredner von seiten der Regierung gemeint haben, wie wunderbar es uns gehe und wie reich wir seien, 800 000 bis eine Million Menschen nicht nur am Rande der Armut leben, sondern zum Teil schon in eine Armutsfalle gekippt sind.

Ich hoffe sehr, daß die Steuerreformkommission, die Sie eingerichtet haben, sich auch um die Umverteilung und die gerechtere Besteuerung kümmern wird. Daß es endlich zu einer Ökologisierung des Steuerwesens kommt, wage ich schon nicht mehr zu hoffen. Es gab so viele Finanzminister, die das versprochen und nie umgesetzt haben. Bei Ihnen gab es darüber leider kaum eine Diskussion. Ich hoffe, daß Sie als Bundeskanzler das Thema etwas mehr forcieren.

Ganz zum Schluß: Ich höre, daß Sie verzweifelt einen neuen Finanzminister suchen und für dieses wichtige Ressort noch nicht fündig geworden sind. Wir würden vorschlagen – wir können ihn für kurze Zeit herborgen –, unseren Professor Van der Bellen damit zu betrauen. Er hat schon in den letzten Jahren immer wieder gezeigt, welch großartige sachpolitische Budgetvorstellungen er hat. (Abg. Dr. Feurstein und Dr. Haselsteiner: Wo ist er denn?) Er bereitet sich schon auf seine mögliche zukünftige Funktion vor. Wir borgen ihn nur kurzzeitig her, aber sollten Sie wirklich in Verlegenheit kommen, sind wir offen für Gespräche. – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

16.37

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier.

16.37

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! (Abg. Wabl: Jetzt eine Herausforderung!) Ich möchte zunächst auf die quasi gekränkten Rügen der Kollegin von der FPÖ und der Kollegin Langthaler eingehen, was die Dringlichkeit der Anfrage anlangt. (Abg. Wabl: Ein geschickter PR-Trick!)

Der Kollege hat gemeint, er vermisse den Neuigkeitswert. Ich bin zuerst erschrocken und habe mir gedacht, eigentlich ist es wahr, die Probleme sind alt. Sie sind mindestens so alt wie die jetzige Koalition, zehn Jahre, ja sogar noch älter. Da hat er recht. Und mir ist aufgefallen, daß gerade das die Dringlichkeit ausmacht, Herr Kollege. Daß Fragen nur deswegen, weil sie seit langer Zeit nicht gelöst sind, an Dringlichkeit verlieren, werden Sie nicht behaupten können. Im Gegenteil, wir sagen: Je älter das ungelöste Problem, desto dringender seine Lösung! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Daß es im Ansatz teilweise das eine oder andere Element gibt, das der Herr Bundesminister in seiner Anfragebeantwortung vorgeführt hat, in dem sich Lösungskonturen in den Effekten abzeichnen, ist wohl richtig. Aber was die Dringlichkeit dieser Anfrage unter anderem ausmacht, ist, daß strukturell der Unterbau gleichgeblieben ist. Es ist gelungen, die Fassade schönzufärben, aber die Substanz ist alt geblieben. Das ist schlecht, denn diese Substanz, die Strukturen, wie zuviel öffentlicher Dienst, zu hohe und insbesondere falsche Ausgaben in vielen Bereichen, sind jetzt durch lineare Kürzungen vorübergehend "schmerzgestillt". Aber das bedeutet gleichzeitig, daß mangels Änderung im System der Schmerz wieder kommen wird, wenn die Tablette nachläßt. Wir werden nicht jedes Jahr die gesamte Bevölkerung unter schwere Medikamente setzen können, die "Sparpaket" heißen. Das wird nicht gehen!

Entweder tritt ein Gewöhnungseffekt auf, und die Leute werden wirklich krank, verdrossen und demokratiemüde – das wäre das letzte, was wir brauchen können –, oder sie sterben daran im


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