Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 60. Sitzung / Seite 17

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benheiten geschaffen. Wir leben nun in einer wirtschaftlichen Welt, in der Schnelligkeit, Anpassungsfähigkeit und Innovation zählen. Kein Unternehmen und kein Land kann sich mehr auf traditionelle Wettbewerbsvorteile verlassen. Die unaufhaltsame Liberalisierung verstärkt den Wettbewerb auf unseren Märkten. Zusätzlich befindet sich Österreich infolge der politischen Veränderungen im Osten unseres Landes in einer neuen Situation, mit neuen Konkurrenten, aber auch neuen Chancen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Neue Technologien, die Informationsgesellschaft verändern nicht nur Wirtschaft und Arbeitswelt, sondern auch das Alltagsleben der Politik. Die industrialisierten Länder befinden sich in einem tiefgreifenden Wandel der gesellschaftlichen und politischen Werte. Individualisierung, autonome Lebensführung, Entkoppelung von Politik und Wirtschaft sowie Emanzipation von Staaten und Parteien sind für jeden von uns merkbar und spürbar. Diese Umbrüche werden unser Leben, unsere Arbeitswelt, unser politisches System nachhaltig verändern und die Zukunft bestimmen.

Es ist nur allzu menschlich, daß diese Veränderungen Unsicherheit erzeugen. Viele Menschen in Österreich haben Angst vor der Zukunft, Angst vor diesem unbekannten Wechsel ins neue Jahrtausend und Befürchtungen für die Zeit danach. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Diese Ängste können wir nicht mit Statistiken, mit objektiven Daten besänftigen, sondern wir müssen diese Ängste anhören, ernst nehmen und Perspektiven anbieten. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Über Bord geworfene Werte!)

Diese Veränderungen werden kommen – ob wir wollen oder nicht. Wir können uns nicht entziehen! Sie werden uns bedrohen, wenn wir nicht gestalten und nicht dafür sorgen, daß sich der wirtschaftliche und gesellschaftliche Wandel nicht gegen die Menschen richtet.

Ich hege keinen naiven Zukunftsoptimismus. Es ist Tatsache, daß viele Menschen in unserem Land von diesen Entwicklungen betroffen und gefährdet sind. Der Verlust des Arbeitsplatzes, die Entwertung der eigenen Qualifikation und die Isolation sind reale Gefährdungen. Schnelligkeit und Anpassungsfähigkeit sind gut für jene, die diesen Anforderungen gewachsen sind. Es besteht aber die Gefahr, daß große Teile unserer Bevölkerung aus der Gesellschaft hinausgedrängt werden.

Unsere natürlichen Lebensressourcen sind in vielerlei Hinsicht gefährdet. Das Erlebnis dieser vielfältigen Bedrohungen auf individueller und gesellschaftlicher Ebene erzeugt die Gefahr des politischen Gegeneinanders gesellschaftlicher Gruppen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Politik hat nicht nur die Pflicht, diesen Gefahren zu begegnen, sondern sie hat dazu auch die Möglichkeit, wenn sie den nötigen Willen aufbringt! Sozialer Zusammenhalt und wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit sind keine Widersprüche. Auch Vielfalt in der Einheit ist kein Widerspruch. Das gilt für das gemeinsame Europa ebenso wie für die Gesellschaft, in der individuelle Entfaltung und der Ausbau der Demokratie möglich sein müssen.

Was wir dazu brauchen, meine Damen und Herren, ist der Mut zur Veränderung. Wir brauchen diesen Mut, um überholte Strukturen aufzubrechen, die durch bürokratische Hemmnisse das Schaffen neuer Arbeitsplätze und neuer Betriebe beeinträchtigen; um offen gegenüber neuen Entwicklungen zu sein, zum Beispiel gegenüber neuen Technologien, aber auch gegenüber neuen Formen der Arbeit; um Weltoffenheit zu gewinnen, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Mag. Stadler: Die Einschaltquoten sinken, Herr Bundeskanzler!) Das bedeutet aktives Hinausgehen, einerseits zum bewußten Lernen von anderen zum Vergleich des eigenen Systems, der eigenen Gewohnheiten und Regeln, mit anderen Ländern und anderen Institutionen – im angelsächsischen Raum nennt man das oft "best practice"-Modelle –, das heißt andererseits aber auch aktives Mitwirken auf internationaler und europäischer Ebene.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist keine zielführende Politik, den Menschen nur die Hindernisse aus dem Weg zu räumen und sie dann allein zu lassen. Die Politik muß die Menschen unterstützen, muß sie in die Lage versetzen und ihnen die Fähigkeit, die Stärke


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