Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 60. Sitzung / Seite 36

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folg an? Ist das Ihre Latte, an der Sie künftig Erfolge messen werden? – Das läßt ja nach dieser Neukonstituierung der Bundesregierung wirklich nichts Gutes erwarten.

Eines halte ich Ihnen zugute: Sie haben wenigstens von einem Satz, der uns in der schriftlichen Ausführung Ihrer Regierungserklärung vorliegt, ein Wort weggelassen, darin wird nämlich von "scheinbaren Widersprüchen" geredet, jetzt aber mußten Sie zugeben, daß sie nicht "scheinbar", sondern "tatsächlich" sind: daß nämlich auf der einen Seite der Wohlstand, auf der anderen Seite aber auch die Armut wächst, daß wir zwar steigende Beschäftigung, aber auch steigende Arbeitslosigkeit haben. – Also wenigstens diese Erkenntnis haben Sie einmal hier vor dem Hohen Haus festgemacht.

Sie ziehen daraus den Schluß, daß wir Mut zur Veränderung brauchen. – Das sind Leerformeln, Herr Bundeskanzler, wenn dem nicht irgend etwas nachfolgt. Das sind Binsenweisheiten. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Sie sprechen dann davon, daß man sagt, es sei keine zielführende Politik, Hindernisse aus dem Weg zu räumen und dann den Menschen allein zu lassen. – Das sagt jeder, das brauchen wir von Ihnen nicht auch zu hören, auch wenn es schön ist, daß Sie es erkennen. Nur: Wenn Sie dann nicht sagen, wie Sie die Menschen unterstützen wollen, was Sie machen wollen, daß die Menschen nicht allein gelassen sind, nützt das nichts. Sie wollen dann konkret werden und formulieren zwei Beispiele – nämlich offenbar konkrete, das ist ja der Witz; wenn Sie es dabei beließen, aber Sie wollen dann konkret werden und führen zwei Beispiele an –, und diese Formulierung kann man nicht oft genug wiederholen, nämlich: "Niemand kann mehr die Garantie abgeben, daß ein Mensch sein Erwerbsleben lang den gleichen Arbeitsplatz besitzt." – No na, kann ich nur sagen, daß Sie auch draufgekommen sind!

"Der fundamentale Strukturwandel führt dazu" – und so weiter. "Wir müssen Mobilität lehren." – Ist in Ordnung, aber wie denn, Herr Bundeskanzler?

Das zweite Beispiel: "Wir müssen aber auch die Sicherheit bieten, daß das ,Vorwagen-Können’, neue Herausforderungen annehmen können, ohne Angst möglich ist. Ohne Angst, bei einem Fehlschlag die Existenz zu verlieren ... Das bedeutet, daß wir unser Sozialsystem so anpassen müssen, daß es mehr Mobilität zuläßt." – Wieder muß ich sagen, Herr Bundeskanzler: No na, das wissen wir.

Von Ihnen hatten wir erwartet, daß Sie die Wege, die Sie sich jedenfalls vorstellen, aufzeigen. Nichts davon haben Sie gemacht. Ich meine jedoch, daß eine Regierungserklärung jedenfalls dazu dienen sollte, die Handschrift eines Bundeskanzlers erkennen zu lassen. (Beifall beim Liberalen Forum sowie des Abg. Dr. Van der Bellen. )

Ich gebe schon zu, daß eine Regierungserklärung, die während einer Legislaturperiode gehalten wird, nicht alles enthalten kann – das ist unbestritten. Es ist aber doch interessant, wo Sie die Schwerpunkte setzen. Und dazu muß ich sagen: Ihre Handschrift haben Sie bislang nur in einigen wenigen Punkten hinterlassen; allerdings eine Handschrift, die – vom Standpunkt der Liberalen aus jedenfalls –, eine bedauerliche und eine nicht schätzenswerte ist.

Ihre Handschrift ist nämlich in erster Linie in der Neuordnung der Kompetenzen zu finden. Und in dieser Hinsicht haben Sie gleich einmal etwas gemacht, das ich als negativen Beitrag für das Geistesleben Österreichs einordne und einschätze: Sie haben nämlich die Ministerverantwortlichkeit für die Kultur abgeschafft. Wenn Sie jetzt sagen, daß dieser Bereich damit zur Chefsache erklärt wurde, fangen Sie Ihre Tätigkeit als Bundeskanzler mit einem Etikettenschwindel an. Und das läßt nichts Gutes für die Zukunft erwarten.

Ich erinnere mich noch ganz genau an die Diskussion im Zusammenhang mit der Aufwertung des Frauenstaatssekretariats in ein Ministeramt. – Aber in diesem Zusammenhang muß ich Ihnen, Herr Bundeskanzler, noch etwas sagen: Es scheint Ihnen in Ihrer bisherigen Tätigkeit entgangen zu sein, daß es nach dem Ministeriengesetz kein Frauenministerium gibt, wie Sie uns hier in der Regierungserklärung schriftlich wie mündlich weismachen wollten. Es stimmt zwar,


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