Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 60. Sitzung / Seite 44

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Herr Bundeskanzler! Es gab in diesem Zusammenhang bereits ein erfolgreiches Volksbegehren. Ganz offenbar sind Ihnen diese Anliegen nicht sehr viel wert.

Meine Damen und Herren! Die Politik sieht anders aus in diesem Bereich. Da gibt es eine Prioritätenliste des Verteidigungsressorts, und Herr Bundesminister Fasslabend spricht ganz verschämt von einer Verzichtsplanung. Also sehr nach Verzichtsmentalität sieht mir das nicht aus: 8,5 Milliarden Schilling für Panzer, 20 bis 30 Milliarden Schilling für Abfangjäger und ein paar Milliarden für Fliegerabwehrraketen, Hubschrauber und so weiter – und das in Zeiten von Sparpaketen!

Wir haben vier Fraktionen hier in diesem Haus – bisher waren es drei Fraktionen –, die sich sehr klar für eine Stärkung, eine Aufwertung dieses Bereiches aussprechen. Die Sozialdemokraten unter Franz Vranitzky haben immer noch gezögert. Mit Viktor Klima scheinen sie diesen klaren Schritt der anderen drei Parteien mitzumachen: Hochrüstung. Und ich frage Sie schon heute, Herr Bundeskanzler: Auf wessen Kosten kann das nur wieder gehen? Die Antwort ist klar: Das geht auf Kosten der Sozialbudgets, denn soviel disponible Massen haben Sie nicht in diesem Budget, und das wissen Sie genausogut wie ich. (Beifall bei den Grünen.)

Die Sparpakete, die Ihre Handschrift tragen, haben sich bereits ausgewirkt, das können Sie nicht vom Tisch wischen. Herr Bundeskanzler, Sie haben in Ihren Ausführungen gesagt, daß Österreich diesen Sparkurs ohne Gefährdung des sozialen Friedens durchgeführt hat. Ja es stimmt, es gab in Österreich keine Massenstreiks, keine Massenproteste – aber das deswegen, Herr Bundeskanzler, weil diejenigen, die bereits ganz arm sind, ganz ausgegrenzt sind, nicht mehr die Kraft und nicht die Möglichkeit haben, sich zu wehren. Es sind jetzt Gott sei Dank bereits andere, wie die Caritas, wie zahlreiche soziale Einrichtungen, die ihre Stimme auf Armutskonferenzen für diese Menschen erheben. Und das sind nicht wenige.

Herr Bundeskanzler, folgendes muß ich auch klarstellen – es betrifft auch einige meiner Vorredner –: Wir haben in Österreich – ich sage: leider, leider, leider! – keine steigende Beschäftigung mehr. Der große Bruch geht Hand in Hand mit der Einführung der Sparpakete. Das hat zunächst von 1994 auf 1995 zögernd begonnen, da haben wir – unter Anführungszeichen – "nur" 2 500 Arbeitsplätze im Durchschnitt verloren. Das letzte Jahr ist bis Dezember noch nicht ganz ausgewertet. Aber es werden im Durchschnitt 20 000 Arbeitsplätze sein, die wir in absoluten Zahlen verloren haben, und das ist erstmals passiert. Wissen Sie, was da dahintersteht? – Daß viele Menschen, vor allem Frauen, Frauen mit Betreuungspflichten, gar nicht mehr zum Arbeitsamt gehen, weil sie chancenlos sind. Die können sich auch nicht mehr organisieren. Die können nicht streiken, die haben kein Gewicht mehr und keine Stimme.

Ich will Ihnen einen solchen Fall nahebringen. Es sind etliche derartiger Einzelschicksale in einer der letzten Ausgaben des "profil" von Eva Rossman dargestellt gewesen, etwa der Fall einer Mutter mit einer minderjährigen Tochter, die bereit wäre, eine Halbtagsarbeit anzunehmen. Das Arbeitsamt sagt: Das reicht nicht, jemand, der nur halbtags arbeiten will, ist in diesem Land nicht arbeitswillig!

Einer Frau mit Betreuungspflichten wird das Arbeitslosengeld, wird die Notstandshilfe gestrichen, und die Richtlinien, die die sogenannte Sozialverwaltung, Frau Hostasch, in diesem Land mittlerweile ausschickt, sprechen eine klare Sprache.

Ich lese es Ihnen wörtlich vor: "Auch die Behauptung der Notwendigkeit einer ständigen Betreuung eines behinderten Kindes sowie der behandlungsbedingten Fahrten vermögen diese Kausalität" – nämlich das Arbeitslosengeld nicht zu streichen – "nicht aufzuzeigen." – Das heißt, sogar Eltern, Müttern, die behinderte Kinder zu betreuen haben und trotzdem bereit sind, halbtags zu arbeiten, sagt man: Das genügt nicht mehr! Sie sind arbeitslos, sie sind aus den Statistiken gestrichen, sie finden sich nirgends mehr. Das ist die Kälte, von der auch manche in der Sozialdemokratischen Partei geredet haben.

Zu diesen Einzelfällen müssen Sie, Herr Bundeskanzler – nicht mit allgemeinen Formeln, sondern ganz persönlich als Viktor Klima, aber auch als Kanzler –, Ihre Meinung sagen!


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