Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 60. Sitzung / Seite 52

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Herr Bundeskanzler! Ich unterstreiche Ihren Satz – ich habe ihn wörtlich mitgeschrieben; ich kann in Zukunft auch diese Formulierung übernehmen –: Die Balance zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberrechten muß gewahrt bleiben, denn nur dann wird die Flexibilisierung die notwendige Akzeptanz finden. – Ich habe es bisher immer so formuliert: Flexibilisierung darf keine Einbahnstraße sein, es muß auch Gegenverkehr geben!, aber ich kann mich ohne weiteres auch mit Ihrer Formulierung anfreunden.

Ich möchte nochmals klar und deutlich unterstreichen: Eine Flexibilisierung zum Nulltarif, verbunden mit Nachteilen für Zigtausende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in unserem Lande, wird es mit den österreichischen Gewerkschaften und den sozialdemokratischen Abgeordneten in diesem Hause nicht geben! (Beifall bei der SPÖ.)

Damit in unmittelbarem Zusammenhang steht die Frage: Wie sollen wir denn die Flexibilisierung lösen? Sollen wir sie über das Instrumentarium des Kollektivvertrages oder über einzelne Betriebsvereinbarungen lösen? – Dazu kann ich nur sagen: Beides ist notwendig und sinnvoll.

Der Kollektivvertrag soll den Rahmen vorgeben. Wir haben nicht die Absicht – ich unterstreiche das zum wiederholten Male –, dem einzelnen Betrieb auf Punkt und Beistrich genau vorzugeben, was er tun darf und was sinnvoll ist. Man soll vielmehr, ausgehend vom Rahmen des Kollektivvertrages, eine auf den einzelnen Betrieb zugeschnittene Betriebsvereinbarung abschließen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollektivvertrag bedeutet keine Bevormundung des einzelnen Arbeitnehmers, wie man das gelegentlich hört, sondern der Kollektivvertrag hat eine sehr wichtige Schutzfunktion für Hunderttausende Menschen, die in unserem Lande als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tätig sind. Daher darf es keine Flexibilisierung ohne Kollektivvertrag geben, weil nur der Kollektivvertrag die Gewähr dafür ist, daß man die Balance, von der Sie, Herr Bundeskanzler, gesprochen haben, auch in Zukunft gewährleisten kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es hat in den letzten Tagen gerade in dieser Frage wieder Gespräche auf Sozialpartnerebene gegeben. Ich persönlich bin sehr optimistisch und zuversichtlich, daß wir dabei zu einer für beide Seiten akzeptablen und tragbaren Lösung kommen werden.

Lassen Sie mich zu einem zweiten Thema, das mit Beschäftigungsfragen, mit Fragen der Arbeitslosigkeit auch in sehr engem Zusammenhang steht, einige Anmerkungen aus meiner Sicht machen, und zwar zu den Fragen der Berufsausbildung, im besonderen der Aus- und Weiterbildung.

Ich bin sehr froh darüber, daß Sie, Herr Bundeskanzler, sehr weite Passagen Ihrer Regierungserklärung diesem Thema gewidmet haben. Denn viele, die heute keinen Arbeitsplatz finden können, haben das Problem oder das Schicksal, daß sie nicht die notwendige Qualifikation haben, die heute in der Wirtschaft verlangt wird. Ich fordere hier zum wiederholten Male, unsere ganze Kraft dafür einzusetzen, daß man diesen Menschen die notwendige Weiterbildung, die Qualifikation gibt, die die Wirtschaft braucht! (Beifall bei der SPÖ.)

Wir müssen auch zur Kenntnis nehmen, daß viele junge Menschen heute noch in falschen Berufen ausgebildet werden, in Berufen, von denen wir heute schon wissen, daß sie in zwei, drei oder vier Jahren keine Zukunft im Wirtschaftsleben mehr haben werden.

Die Wirtschaft selbst sagt – und ich unterstreiche das –: Wir werden uns insgesamt nur dann im großen globalen Wirtschaftsgefüge Europa behaupten können, wenn wir bestens ausgebildete Fachkräfte haben. – Die Wirtschaft verlangt das, aber sie ist nicht bereit, umzudenken und mit uns gemeinsam moderne, zukunftsorientierte Flächenberufe – in einer idealen Kombination von praktischer und theoretischer Ausbildung – zu schaffen.

Jenen jungen Menschen, die bereit sind, in unserem Lande einen Lehrberuf zu erlernen, müssen wir eine neue Motivation, die Zuversicht und Hoffnung geben, daß sie dann, wenn sie in


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