Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 60. Sitzung / Seite 108

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Es hat bei Ihnen eine Strategielosigkeit um sich gegriffen, die heute ihren deutlichen Ausdruck gefunden hat. (Beifall bei der SPÖ.)

17.27

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Edith Haller. – Bitte.

17.27

Abgeordnete Edith Haller (Freiheitliche): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren auf der Ministerbank! – Die Damen sind uns anscheinend schon abhanden gekommen. – Hohes Haus! – Herr Kollege Cap, ich bin weder nervös noch beleidigt, insofern kann ich Sie beruhigen.

Ich bin allerdings besorgt – das schon. Es gibt ein Zitat von Ingeborg Bachmann, das in letzter Zeit in anderem Zusammenhang immer wieder erwähnt wurde. Es lautet: Wahrheit ist zumutbar.

Ich finde, daß Wahrheit auch im Zusammenhang mit der neuen Regierungsumbildung zumutbar sein muß. Man hat unseren neuen Bundeskanzler und sein Team mit sehr vielen Vorschußlorbeeren bedacht und hat ihn als Hoffnungsträger einer neuen österreichischen Politik gesehen.

Die Wahrheit ist aber – und das hat sich bereits in den letzten Tagen bestätigt –, daß er bereits eine große Chance vertan hat: Er hat im Zuge der Neuordnung des Bundesministeriengesetzes eine sinnvolle Kompetenzverteilung wirklich versäumt, er hat Nichtkompetenzen nicht aufgehoben, er hat Doppelgleisigkeiten geschaffen, und er hat das Gesundheitsressort zersplittert.

Wahrheit ist andererseits auch, daß er bei seiner ersten Pressekonferenz zwar wohl eine Menge englischer Fachausdrücke, aber auch eine Menge leerer deutscher Worthülsen verwendet hat, und seine heutige Regierungserklärung war wirklich nur eine Anhäufung von uns allen schon lange bekannten Gemeinplätzen, die er noch dazu in einer derart theatralischen Art und Weise vorgetragen hat, daß es mir direkt unangenehm war.

Wahrheit ist auch folgendes: Er hat in seiner Regierungserklärung gesagt: Die gesellschaftliche und wirtschaftliche Gleichstellung der Frauen ist der Bundesregierung ein wichtiges Anliegen, und wir werden dieses Anliegen mit dem Frauenministerium umsetzen.

Was aber ist in Wahrheit der Fall? – Die österreichische Frauenpolitik ist seit 20 Jahren sozialistisch dominiert, aber die Situation der Frauen ist nach wie vor unbefriedigend: Es gibt keine sozialrechtliche Absicherung. Das Kinderbetreuungssystem ist trotz zahlreicher Lippenbekenntnisse und versprochener Milliarden und Millionen unzureichend ausgebaut.

Die Familienarbeit soll "halbe/halbe" aufgeteilt werden – aber anscheinend hat die neue Frauenministerin Prammer, die jetzt leider nicht mehr da ist, im eigenen Haushalt damit Probleme, und zwar Probleme mit ihrem Mann, der dabei anscheinend nicht mitmachen will.

Es gibt nach wie vor keinen Ansatz zur Gleichstellung von Familienarbeit und Erwerbsarbeit. Und in den ganzen sieben Jahren seit Bestehen des Frauenministeriums ist das dazugehörige Vetorecht im Ministerrat nie zugunsten der Frauen ausgeübt worden, etwa um jene Verschlechterungen, die es in der letzten Zeit für die Frauen wirklich gegeben hat, hintanzuhalten.

Die neue Frauenministerin wird als eiserne Lady des Naturschutzes bezeichnet. Sie ist optisch sicher ein ganz anderer Typ als ihre Vorgängerin, und mir bleibt eigentlich nur die große Hoffnung, daß sie auch einen anderen Zugang zur Frauenpolitik hat als ihre Vorgängerinnen, daß sie die Frauenpolitik pragmatischer und bürgernäher auszuüben gedenkt und daß sie auch Vorschläge der freiheitlichen Frauen ernst zu nehmen beginnt.

Ich erwarte mir von ihr in nächster Zukunft Stellungnahmen zum Bereich Familienförderung, zum Nachtarbeitsverbot für Frauen, zum Thema Frauen im Bundesheer und zu den gravierenden Härtefällen, die im Bereich der Arbeitslosenversicherung und Notstandshilfe durch die Sparpakete entstanden sind. Ich hoffe, daß sie eigene Initiativen setzen und sich bei der Lösung der Probleme nicht auf das geplante Frauenvolksbegehren verlassen wird wie ihre Vorgängerin.


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