Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 62. Sitzung / Seite 72

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die Kombination der Produktionsfaktoren und damit die Befriedigung von Kundenbedürfnissen. Es ist heute bisher erstaunlicherweise sehr wenig zur Sprache gekommen, daß dieses Spannungsfeld das Problem Österreichs ist.

Die Qualität des Wirtschaftsstandortes wurde heute schon mehrfach beschworen. Aber Sie wissen doch, meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, daß alle internationalen Rating-Agenturen den Wirtschaftsstandort Österreich in den letzten drei Jahren vom hervorragenden 7., 8. oder 9. Platz auf den 15., 20. oder 21. Platz zurückgestuft haben. (Abg. Mag. Haupt: Auf den 31.!) Ja wissen Sie denn nicht, daß all das, was Sie in den letzten zehn Jahren gemacht haben, Bürokratiekosten erzeugt hat, weil Sie immer noch dem Reglementierungsprinzip anhängen, anstatt klare Verantwortungen in der Wirtschaft zu definieren? Diese Reglementierungen – Gewerbeordnung, Betriebsanlagenrecht – verhindern Beschäftigung, von der wir heute reden, sie schaffen sie nicht. Sie haben sich bemüht, Liberalisierungen zustande zu bringen, Sie haben sich mit der Frage auseinandergesetzt, aber Sie sind immer wieder am Reglementierungsprinzip hängengeblieben, anstatt an die Definition klarer Verantwortungen heranzugehen.

Ladenschluß: ein klassischer Pyrrhussieg des Herrn Wirtschaftsministers. Es gibt eine Verbesserung im Bereich Ladenschluß, aber um welchen bürokratischen Preis wurde sie erzielt?

Umweltrecht: Die ersten 90 Prozent Umwelt sauber zu halten, kosten 100, die nächsten 9 Prozent kosten wieder 100, und die nächsten 0,9 Prozent kosten wieder 100 – eine exponentielle Gleichung. Sind wir nicht da oder dort über das Ziel hinausgeschossen? Haben wir nicht da oder dort Kosten aufgehäuft, die heute die Märkte nicht zu bezahlen bereit sind? – Und weil die Märkte nicht bereit sind, diese Kosten zu bezahlen, verlieren wir an Beschäftigung.

Arbeitnehmerschutz: Niemand im Hohen Haus wird sich gegen Arbeitnehmerschutz aussprechen, aber in der Form, wie wir die Europäische Richtlinie des Arbeitnehmerschutzes umgesetzt haben, ist es arbeitsplatzvernichtend, weil das unendlich viel Geld kostet, weil das in den Betrieben unendlich viel Kraft bindet, die nicht auf dem Markt, die nicht für den Kunden, die nicht zur Problemlösung eingesetzt werden kann.

Der zweite Bereich nach der Bürokratie, der zur Verschlechterung des Wirtschaftsstandortes beiträgt, sind ohne Zweifel die Arbeitskosten. Es ist doch unerträglich, daß wir zwar die dritthöchsten Arbeitskosten in der Europäischen Union, aber nur die neunthöchsten Nettolöhne haben! Es gibt viele, viele Gründe – Urlaub, 13. und 14. Gehalt, Sozialversicherung –, warum diese Kosten bei uns in Österreich so angewachsen sind. Aber das Spannungsfeld zwischen dem, was ein Mitarbeiter kostet, und dem, was er brutto monatlich bekommt, weitet sich immer mehr aus. Da sind wir den falschen Weg gegangen, und diese Bundesregierung hat nicht den Mut gehabt, umzukehren, sondern sie hat die Lohnnebenkosten – wie immer Sie diese definieren mögen – in den letzten Jahren um 3, 4, ja 5 Prozent erhöht.

Das Sozialsystem ist der größte Beitrag zur politischen Kultur in Österreich. Es ist einem Land zu gratulieren, dem es gelungen ist, ein soziales Netz für alle Menschen zu spannen. Aber gefährden wir dieses soziale Netz nicht, wenn wir die Beschäftigung gefährden? Und wenn wir zu hohe Arbeitskosten haben, dann gefährden wir die Beschäftigung. Da schließt sich der Kreis. Es lassen sich keine weiteren Beitragserhöhungen auf dem Markt unterbringen! Die weltweiten Kunden Österreichs sind nicht bereit, noch höhere Arbeitskosten in Produkten und Dienstleistungen abzugelten.

Wer also weitere Arbeitskostenerhöhungen vornimmt, gefährdet die Beschäftigung in Österreich! Das sollten wir sehr ernsthaft diskutieren. Diese Bundesregierung hat das bisher nicht getan. Sie hat in den letzten zehn Jahren, in denen sie im Amt war, die Arbeitskosten weit über die Bruttolöhne hinaus erhöht.

Die Qualität eines Wirtschaftsstandortes, meine Damen und Herren des Hohen Hauses, drückt sich auch in der Anzahl der Selbständigen aus. Es ist eine europäische Schande, daß dieses Land nur 6 Prozent Selbständige hat! Haben wir in unseren Schulen, in der Ausbildung, in der politischen Diskussion ein Klima geschaffen, das die Menschen dazu bringt, selbständig zu werden? Es genügt nicht, Bücher zu schreiben: "Mehr privat, weniger Staat!", wenn man dann


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