Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 66. Sitzung / Seite 56

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Ich bin froh darüber, daß wir heute ein Gesetz beschließen, das ein Beitrag dazu sein wird, daß der Wirtschaftsstandort Österreich gefestigter und damit die Sicherheit der Arbeitsplätze auch in den nächsten Jahren leichter möglich ist als ohne dieses Gesetz. (Beifall bei der ÖVP.)

12.09

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Öllinger. – Bitte.

12.09

Abgeordneter Karl Öllinger (Grüne): Herr Präsident! Frau Ministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nicht zufällig diskutieren wir das Thema "Ausweitung der Sonntagsarbeit" im Rahmen einer Gesetzgebung, die sich mit der Flexibilisierung der Arbeitszeiten beschäftigt. Wer da noch hergeht und behauptet, es handle sich nicht um eine Verschlechterung im Hinblick auf die Sonntagsruhe, sondern – im Gegenteil – um eine Verschärfung, der weiß sehr wohl, daß er wider seine eigene Einsicht und wider dieses Gesetz hier spricht.

Es geht bei der Flexibilisierung schlicht und einfach – und das haben Sie ja sehr schön gesagt – um die Ausweitung von Arbeitszeiten. (Abg. Dr. Stummvoll: Die Sicherung der Arbeitsplätze!) Es geht im Prinzip um die Flexibilisierung von Arbeitsmärkten quer durch Europa, wo wir hier in Österreich inzwischen auch schon keinen Rahmen mehr setzen wollen.

Wir diskutieren hier im Rahmen dieser Debatte über die Flexibilisierung von Arbeitsmärkten, über die Aufhebung von Nachtarbeitsbestimmungen, über die Aufhebung von Feiertagsbestimmungen, über die Einschränkung von Sonntagsruhebestimmungen, über die Ausweitung der Arbeitszeiten und über die Ausweitung des Leistens von Überstunden, ohne Überstundenzuschläge zu bezahlen. Es muß daher die Frage erlaubt sein: Dient die Wirtschaft dem Menschen, oder dient der Mensch der Wirtschaft?

Diese Frage, Herr Abgeordneter Stummvoll, gilt es auch zu behandeln und zu beantworten. Die Antwort aber, die Sie darauf geben, ist falsch! Es darf nicht sein, daß jedes zeitliche und kulturelle Maß, jede kulturelle, religiöse und soziale Tradition in der Debatte über die Flexibilisierung von Arbeitszeiten und Arbeitsmärkten verlorengeht. Genau das ist aber der Fall! (Abg. Dr. Stummvoll: Das geschieht ja nicht!)

Ich erinnere nur daran, Herr Abgeordneter Stummvoll, daß wir es in Österreich heute mit folgender Überstundensituation zu tun haben: Lag das Ausmaß der geleisteten Überstunden vor einigen Jahren noch bei 20 Millionen pro Jahr, so ist es inzwischen wesentlich angestiegen, und zwar auf 1 Million Überstunden pro Woche! Rechnen Sie das auf ein Jahr um: Gleichgültig, ob die Urlaubszeit herausgerechnet wird oder nicht, halten wir heute bei 40 bis 50 Millionen Überstunden pro Jahr. Innerhalb weniger Jahre hat sich das Ausmaß an Überstunden insgesamt verdoppelt! (Abg. Dr. Stummvoll: Diese werden weniger werden durch die Flexibilisierung! Deshalb brauchen wir die Flexibilisierung! Flexibilisierung heißt Abbau von Überstunden, Herr Kollege!)

Was Sie mit diesen Arbeitszeitflexibilisierungsmaßnahmen erreichen, ist nur das Umtaufen von Überstunden, die vorher mit Zuschlägen entlohnt wurden, in Mehrarbeitsstunden, die nicht mehr mit Zuschlägen entlohnt werden. Das ist das besondere Problem bei dieser Flexibilisierungsmaßnahme. Es ist das keine Maßnahme zur Eindämmung von Überstunden.

Ich kann Ihnen die Zahlen nennen: Gerade im Bereich der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, die im Ausmaß von 0 bis ungefähr 30 Stunden pro Woche arbeiten, ist die Steigerung der Mehrarbeit, das Ausmaß der Arbeitszeit, die über die Normarbeitszeit hinausgeht, am höchsten. Es sind die Teilzeitarbeiterinnen und -arbeiter, die jetzt schon den höchsten Anstieg an Überstunden – und zwar nicht an bezahlten Überstunden; eigentlich ist das ein falscher Begriff –, an Mehrzeit zu verzeichnen haben.

In diesem Bereich fängt das Problem an, da bieten Sie mit den Arbeitszeitflexibilisierungsmaßnahmen, die mit diesem Gesetz beschlossen werden, überhaupt keinen Schutz. Im Gegenteil! Die Möglichkeiten, in diesem Bereich Mehrarbeit zu leisten, werden ausgeweitet, gerade für jene Berufsgruppen und die Beschäftigten jener Branchen, die jetzt schon dem


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