Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 66. Sitzung / Seite 58

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sie nicht mehr sagen, es handle sich um eine Verschärfung der Ausnahmemöglichkeiten für die Sonntagsarbeit. Denn selbstverständlich ist es eine Erweiterung der Ausnahmemöglichkeiten ad infinitum.

Ich brauche mir zur Bestätigung nur die einschlägigen Stellungnahmen von Wirtschaftsseite anzusehen. Wir sind heute schon mehrmals aufgerufen worden, dieses Thema nicht emotional, sondern sachlich zu diskutieren. Auch Herr Martin Mayr, Leiter der Sozialpolitischen Abteilung der Bundeswirtschaftskammer, spricht davon, daß die Diskussion sachlich geführt werden solle, und führt in diesem Sinn an:

Angesichts schärferer Wettbewerbsbedingungen und neuer Produktionsmethoden ist damit zu rechnen, daß in Zukunft das Ausmaß der Arbeit am Wochenende zunimmt. Dies haben offenbar auch die Regierungsparteien und der ÖGB erkannt, denn die jüngste Einigung enthält auch den wichtigen Punkt, daß die Kollektivvertragspartner in Zukunft auch die Arbeit am Wochenende zulassen können. Diese überaus vernünftige Maßnahme dient der Sicherung von Arbeitsplätzen wesentlich mehr als emotionsgeladene Polit-Spektakel.

Was wird damit gesagt? – Selbstverständlich geht es um die Ausweitung der Sonntagsarbeit, selbstverständlich steht das zur Debatte. Und selbstverständlich erwartet die Wirtschaft, daß der Ausweitung von Sonntagsarbeit Rechnung getragen wird.

Wenn von gewerkschaftlicher Seite behauptet wird, der Kollektivvertrag biete einen genügend starken Schutz, um das zu verhindern, dann erinnere ich an folgendes: Die Gewerkschaft war in der Vergangenheit, wenn es um Ausnahmen für einzelne Betriebe ging, offensichtlich nicht stark genug; sie hat nicht in der Öffentlichkeit laut aufgeschrien, sondern immer und unter allen Bedingungen zugestimmt, auch wenn sie wußte, daß die Schwestergewerkschaft in Deutschland diese Ausnahmen nicht haben wollte. Österreich war immer und allzeit bereit, diese Ausnahmen zu erdulden. – Siemens.

Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir sollten das Thema ernster betrachten, und kann nur sagen: Mit dieser Regelung wird eine Tendenz eingeleitet, die klarerweise dazu führt, den Sonntag, die Feiertagsruhe und Wochenendruhe wirtschaftlichen Prämissen und wirtschaftlichen Prioritäten unterzuordnen. (Abg. Verzetnitsch: Was wäre, wenn wir nichts ändern?)

Selbstverständlich wird das von Ihnen verlangt. Ich weiß, auch in anderen Ländern gibt es diese Debatte über die Sonntagsarbeit. Die Frage ist, ob man sie mit einem Achselzucken zur Kenntnis nimmt und versucht, diesen Bedingungen Rechnung zu tragen, oder ob man auch eine Debatte über den Stellenwert von freien Tagen, von Sonntagen und von Wochenendruhe führt. Von Ihrer Seite habe ich diese Debatte bisher vermißt, meine Damen und Herren von der sozialdemokratischen Fraktion! (Abg. Verzetnitsch: Nachlesen!) Es ist nur gesagt worden – genauso wie von seiten der ÖVP –: Wir wollen ja nur, daß im Rahmen des Möglichen – Verschärfung und so weiter – einige Ausnahmen ermöglicht werden, und selbstverständlich werden wir nicht weiter gehen. – Geht es nicht eigentlich um andere Themen? (Abg. Verzetnitsch: Das wird der ÖGB beschließen!)

Geht es nicht eigentlich um andere Themen, die wir heute hier diskutieren sollten: um den tatsächlichen Stellenwert von Sonntagsruhe, darum, welcher Prozeß damit eingeleitet wird, und um den wirtschaftlichen Druck, dem sich offensichtlich auch in Österreich der Gesetzgeber und die Kollektivvertragsparteien unterordnen wollen und sollen? Geht es in Wirklichkeit nicht darum, daß wir uns in einer Situation befinden, in der auf der einen Seite immer mehr Menschen immer mehr arbeiten, immer mehr Zeit in die Arbeit investieren müssen und immer weniger vom Leben herausbekommen, auf der anderen Seite aber Hunderttausende Menschen – die Zahl ist steigend – dazu verdammt sind, arbeitslos zu sein, weil der wirtschaftliche Zyklus, der wirtschaftliche Druck, die wirtschaftlichen Prämissen offensichtlich so gelagert sind, daß ihnen keine Chance gegeben werden soll, an diesem Leben teilzunehmen? (Abg. Verzetnitsch: Zeitguthaben!)

Meine Damen und Herren! Mit dem Arbeitszeitflexibilisierungsgesetz, das Sie heute beschließen wollen, machen Sie einen weiteren Schritt in diese Richtung. Alle anerkannten Wirt


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