Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 66. Sitzung / Seite 156

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fangen ist. Mit Urlaubsreisen, Schönheitsfarmen, Surfkursen und ähnlichem wird um Junge, Gesunde geworben, Alten, Kranken und Behinderten wird nahegelegt, die Versicherung zu wechseln. – Das lehnen wir Sozialdemokraten entschieden ab. Daher: kein Abweichen von der Pflichtversicherung! (Beifall bei der SPÖ.)

Knapp zwei Drittel des versicherten Personenkreises leisten Beiträge, ein Drittel der Anspruchsberechtigten zahlt als Mitversicherte selbst keine Beiträge. Die Prämien der Privatversicherungen sind abhängig von Risiko und Anzahl der zu versichernden Familienmitglieder, höher als die gesetzlichen Beiträge, unabhängig von der Einkommenshöhe, bei geringerem Leistungsvolumen. Hohe Prämien, Verzicht auf Riskenträger, weniger Leistungen heißen die "Zauberworte", die den Versicherungen Finanzierungsprobleme ersparen.

Die Privatversicherungen decken meist nur den Mehraufwand zur Sozialversicherung, die den Hauptteil der Leistungen trägt. Der Verwaltungsaufwand der Sozialversicherung ist viel geringer als der von Versicherungen, deren Preis-Leistungsverhältnis einen hohen Aufwand zuläßt. Der Abgang der sozialen Krankenversicherung von 2,2 Milliarden Schilling im Jahr 1995 war durch hohe Zuwachsraten bei den Positionen ärztliche Hilfe, Heilmittel, Spitals- und KRAZAF-Zahlungen bedingt. Die Sozialversicherten kommen – bis auf die Krankenversicherung der Bauern, die mit über 800 Millionen Schilling jährlich aus Steuermitteln unterstützt wird – für ihre Leistungen selbst auf. Die Ausgaben für das Krankengeld stiegen prozentuell geringer als die Ausgaben für ärztliche Hilfe, Heilmittel, Zahnbehandlung, medizinische Hauskrankenpflege und Spitalskosten.

Es ist populistisch und unseriös, mehr Leistungen von der Sozialversicherung zu fordern, wenn man höheren Beiträgen nicht zustimmen will. Maßnahmen der 53. ASVG-Novelle dienten der Finanzierungssicherung. Die Erhöhung der Rezeptgebühr, ein hoher Selbstbehalt, vor allem für Einkommensschwächere, Multimorbide und Mehrpersonenhaushalte, war ebenso wie die Krankenscheingebühr eine koalitionäre Notwendigkeit – nicht unser Wunsch. Eine minimale lineare Beitragserhöhung wäre sozial verträglicher und effizienter gewesen. (Beifall bei der SPÖ.)

Verbesserungen sind – wie überall – wünschenswert, erstrebenswert und nötig. Wir Sozialdemokraten sind ebenso offen für Weiterentwicklungen wie stolz auf unsere erschwingliche, umfassende, effiziente soziale Krankenversicherung. Jede Demontage werden wir zu verhindern wissen. (Beifall bei der SPÖ.)

19.21

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist nunmehr Frau Abgeordnete Haidlmayr. – Bitte. Redezeit: 5 Minuten.

19.21

Abgeordnete Theresia Haidlmayr (Grüne): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Sozialbericht 1995 spiegelt in vielen Bereichen genau das wider, was wir seit langem kritisieren. Ich brauche mir ja nur den Bereich Behinderung und Pflegevorsorge anzuschauen. Frau Ministerin, es war klar, daß es durch die Einführung einer zusätzlichen Pflegegeldstufe, nämlich der Stufe 1 mit 2 000 S, zu einer Reduktion des Pflegegeldes für viele Menschen in Österreich kommen würde. Daß diese Vermutung stimmt, zeigt sich auch daran, daß sich, wenn man die Pflegegeldbezieher der letzten Jahre vergleicht, die Zahl der kleinen Pflegegeldgruppen, nämlich der Stufen 1 und 2, massiv erhöht hat.

Auf der anderen Seite ist in den oberen Pflegegeldstufen die Zahl gleich geblieben. Schon allein die Tatsache, daß von 1994 auf 1995 der Zugang zur Pflegestufe 1 um 68 Prozent gestiegen ist – bei einer Gesamtsteigerung von nur 2 Prozent der Pflegegeldbezieher –, zeigt ganz deutlich, wie hoch Einsparungen auf Kosten behinderter Menschen bereits gehen, und daß sie sich in Zukunft noch mehr verstärken werden. Immer mehr Menschen werden dazu gedrängt, nur mehr Pflegegeld der Stufe 1 und 2 zu erhalten. Wie sie sich damit durchwurschteln, interessiert das Sozialministerium nicht. Behinderte Menschen, die für sich in Anspruch nehmen wollen, selbständig und selbstbestimmt zu leben, können dies mit der geringen Höhe des Pflegegeldes immer weniger. Wenn sie mehr Pflegegeldbedarf haben, sind sie notgedrungen dazu gezwungen, auf stationäre Einrichtungen auszuweichen.


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