Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 66. Sitzung / Seite 157

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Deshalb hat mir auch die Diskussion, so wie sie in den letzten Wochen zu den Themen Pflegevorsorge, Leistungsscheck, Sachleistung, Geldleistung geführt wurde, überhaupt nicht zugesagt. Wenn Sie wissen, Frau Ministerin, daß noch immer mehr als 80 Prozent der behinderten und alten Menschen in Pflegeheimen leben, dann wissen Sie auch, daß diese Menschen nicht einen einzigen Schilling ihres Pflegegeldes in die Hand bekommen – abgesehen von 562 S pro Monat –, und daß diese Mittel im Verhältnis 1 : 1 den stationären Einrichtungen zufließen. – Wenn das keine Sachleistung ist, was ist dann bitte eine Sachleistung?

Nur ganz wenig Behinderte haben wirklich die Chance, mit ihrem Pflegegeld dort und so zu leben, wie sie es wollen, nämlich selbstbestimmt und in ihrer eigenen Wohnung. Auch die Diskussion, daß man das Pflegegeld bei hohen Einkommen einschleifen oder einstellen soll, hat sich, glaube ich, aufgrund dieses Sozialberichtes erübrigt. Denn wenn man ihn genauer anschaut, sieht man, daß nur 0,04 Prozent aller Pflegegeldbezieher in Österreich ein Bruttoeinkommen oder eine Bruttopension von mehr als insgesamt 30 000 S beziehen. Diese Diskussion erübrigt sich, denn jeder Verwaltungsaufwand, um die Besserverdienenden zur Kassa zu bitten, würde ein Vielfaches von dem kosten, was Einsparungsmaßnahmen mit sich bringen würden.

Auch im Bereich der Beschäftigung, Frau Ministerin, hat sich in den letzten Jahren nur Negatives entwickelt. Es wurde und wird noch immer verhindert, daß man auch im Sozialbericht niemals die Zahl der arbeitslosen Beschäftigten in Prozentsätzen festschreibt. Es steht immer nur drinnen: Die Zahl der arbeitslosen Behinderten ist gestiegen. Sie liegt bereits bei 40 Prozent. Noch immer leistet sich alleine der Bund 1 400 Behindertenstellen, die er nicht besetzt.

Auf der anderen Seite werden 82 Millionen Schilling im Jahr lukriert, indem man an Behinderteneinrichtungen, in denen die Behinderten weder versichert sind, noch irgendeine sozialrechtliche Absicherung haben, Aufträge vergibt und sich so wieder das Geld zurückholt. Im Rahmen meiner kurzen Redezeit habe ich nicht die Möglichkeit, auf alle Dinge einzugehen, die im Behindertenbereich zu diskutieren und klarzustellen wären. Eines möchte ich allerdings nicht unerwähnt lassen: Im Sozialbericht wird wieder – als Errungenschaft – die sogenannte CD-ROM für die Hilfsmittelberatung angeführt.

Frau Ministerin! Im Bericht steht, daß auf der CD-ROM zum Beispiel der Hersteller eines Produktes, der Preis eines Produktes, die Beschaffenheit eines Produktes und, und zu finden sind. – Klingt sehr gut. In der Praxis sind diese Daten auf der CD-ROM nicht enthalten. Es finden sich keine Preise, und Herstellerfirmen sind auch kaum vorhanden. Wären diese Daten auf der CD-ROM gespeichert, dann müßte die CD-ROM regelmäßig neu überarbeitet werden. Das hat man sich jedoch erspart. Diese CD-ROM ist also hinausgeworfenes Geld, das wir für andere Bereiche viel notwendiger gebraucht hätten. Anscheinend hat man sich damit einen Luxus geleistet, der niemandem dient, sondern nur Geld gekostet hat.

Auch dem Bereich der Information, Beratung und Betreuung durch das Bundessozialamt kann ich in der derzeitigen Form nichts abgewinnen. Die Betreuung mag schon ganz gut sein – bei der Beratung ist es allerdings schon wieder vorbei. Durch die Auslagerung arbeitsloser, behinderter Menschen in die sogenannten Assistenzzentren ist es dem Sozialministerium gelungen, die Arbeitslosenzahlen noch einmal nach unten zu revidieren, denn alle Menschen, die von Arbeitsassistenzzentren betreut werden, scheinen in der Arbeitslosenstatistik behinderter Menschen nicht mehr auf.

Frau Ministerin, Sie wissen: Sonderprogramme zur Ausbildung und Arbeitsplatzbeschaffung für behinderte Menschen haben nicht gegriffen. Die Zahl stationärer Einrichtungen und geschützter Werkstätten ist größer geworden; die Zahl der Arbeitsplätze auf dem freien Arbeitsmarkt wurde geringer. Frau Ministerin, ich würde Sie bitten – weil es uns behinderten Menschen zusteht, auch zu wissen, wieviel Prozent von uns arbeitslos sind –, daß endlich die Arbeitslosenzahl in Prozenten ausgeworfen und nicht nur gesagt wird, diese ist gestiegen. Wenn jeder einzelne im Parlament einmal klar vor Augen geführt bekäme, daß die Arbeitslosenrate bei 40 Prozent liegt, so würde man sehen, daß das ein Alarmsignal ist, etwas, das man nicht mehr so einfach hinnehmen kann.


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