Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 67. Sitzung / Seite 110

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klar ist, daß ein Tunnel für die ÖBB ein so hohes Benützungsentgelt kosten würde, daß der Verkehr dadurch unwirtschaftlich wird und damit die Konkurrenzfähigkeit sinkt statt verbessert wird;

der Rechnungshof massiv davor warnte, das Projekt in Angriff zu nehmen, weil die zugrundegelegten Studien offensichtlich falsch seien;

nach wie vor keineswegs alle erforderlichen Verfahren positiv abgeschlossen sind.

Besonders empörend daran ist auch, daß die Gegner des Projektes nicht einmal einen Gesprächstermin beim Verkehrsminister erhalten, während ohne nähere Begründung das Projekt offensichtlich gegen alle Bedenken ‘durchgezogen’ werden soll.

Interessant dabei ist besonders, daß bereits mehrere Landeshauptleute beider Koalitionsparteien den Bedenken der Opposition, daß hier eindeutig die falschen Prioritäten gesetzt würden, folgen: Der Bürgermeister von Wien erklärte gemeinsam mit dem Landeshauptmann von Niederösterreich, man solle um das Geld, das der Semmeringtunnel verschlinge, lieber die Schnellbahnen rund um Wien ausbauen, das käme hunderttausenden statt wenigen hundert Pendlern zugute.

Tatsächlich zeigt sich, daß – allen Vereinbarungen zum Trotz – der in seiner Sinnhaftigkeit völlig unbestrittene und auch ansonsten unproblematische Ausbau wichtiger Schnellbahnprojekte, vor allem der Flughafenschnellbahn S7 und der S80, sich seit Jahren hinzieht und außer Spatenstichen von Koalitionspolitikern so gut wie nichts passiert. Dafür soll nun auch hier die Privatfinanzierung stattfinden, die sich gerade beim Semmeringtunnel als undurchführbar erweist.

Denn obwohl sich mittlerweile Generationen von Verkehrsministern bemühen, Privatinvestoren zur Finanzierung des Semmeringtunnels zu bewegen, gelingt dies logischerweise nicht, denn es ist klar, daß dieser nicht wirtschaftlich sein kann, weil einerseits die Kosten höher – alleine jene für den Sondierstollen haben sich mittlerweile verdoppelt –, andererseits die Einnahmen wesentlich geringer als prognostiziert sein werden. Letzteres vor allem deshalb, weil die ÖBB bereits seit Jahren erklären, ein kostendeckendes Benützungsentgelt niemals zahlen zu können.

Alles, was also von der vielgepriesenen vollständigen Privatfinanzierung blieb, von der die ÖVP in Wahlkampfzeiten sogar ihre Zustimmung abhängig gemacht hatte, ist, daß einige Baufirmen bereit sind, sich einen Teil des Entgelts in Form von Anteilen am fertigen Projekt bezahlen zu lassen und dafür staatlich garantierte Einnahmen – dem Vernehmen nach rund 300 Mio. S pro Jahr – zu kassieren, um den lukrativen Auftrag zu erhalten: Im Grunde nur eine Form des Zahlungsaufschubes. Dem steht jedoch zusätzlich noch der Nachteil gegenüber, daß der Bund auch bei größten Problemen an die betreffende Baufirma gebunden ist.

Doch ganz allgemein ist die Sinnhaftigkeit des Projektes zu bezweifeln, vor allem deshalb, weil die Koordination des Bahnausbaues generell fehlt:

So schreibt der Rechnungshof etwa über die stets von den Verkehrsministern als entscheidende Begründung genannte 'Prognos-Studie' wörtlich: 'Es gelingt der Studie nicht, die betriebs- und volkswirtschaftliche Sinnhaftigkeit des Semmeringtunnels ohne schwerwiegende Einschränkungen nachzuweisen.'

Entscheidende Punkte sind dabei aus der Sicht des Rechnungshofes:

Wichtige Pro-Argumente werden sogar von Prognos in Teilbereichen widerlegt.

Die Kapazitätsgrenze der historischen Bergstrecke wird erst ab dem Jahr 2010 erreicht.

Das Prognos-Gutachten errechnet große Vorteile aus der Einrichtung einer derzeit nicht nachgefragten, jedoch zuschußträchtigen ("ökonomisch und ökologisch suboptimalen") Verkehrsart (inländische Rollende Landstraße).

Die im Bundesbahngesetz 1992 bereits vorgegebene Schwerpunktverlagerung weg von den (inländischen) Gütersubventionen wird nicht berücksichtigt.


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