Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 67. Sitzung / Seite 157

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Ich erlebe dies als Signal eines fachkundigen und politischen Menschen, der erkannt hat, daß diese Antwort mißlungen ist – sage ich einmal vorsichtig. Sie ist rechtlich nämlich nicht so eindeutig zu interpretieren, denn wenn man den einschlägigen § 2 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes liest, so ist der Fall, den Kollege Öllinger angefragt hat, hier ausdrücklich nicht zu subsumieren. Um zu unterstellen, daß jemand, der in Österreich lebt, hier unbeschränkt steuerpflichtig ist und all das tut, was man tun muß, damit man überhaupt erst einmal einen Unterhaltsabsetzbetrag geltend machen kann, muß man ja vorher einiges tun. Wenn man nämlich das alles nicht tut, dann existiert der Unterhaltsabsetzbetrag gar nicht, und den Betreffenden gleichzeitig fiktiv in einen "gemeinsamen Haushalt" ins Ausland zu setzen, das wird nicht möglich sein. Oder: Zu unterstellen, daß ein Elternteil, der diesen Haushalt verläßt und noch dazu eine Staatsgrenze zwischen sich und das Kind bringt, dann im gemeinsamen Haushalt mit dem Kind lebt – auch das wird nicht funktionieren.

Hier ist – für die Bundesregierung bedauerlicherweise, erfreulicherweise für die sozialen Verhältnisse der Betroffenen – der Versuch, alle Leistungen, die jemand, der nicht österreichischer Staatsbürger ist und in Österreich arbeitet und eine Familie hat, die er nicht nach Österreich nachgeführt hat, zu streichen, mißlungen.

Es ist Ihnen gelungen, die Familienbeihilfe zu kappen – Sie mußten dazu alle Sozialabkommen kündigen; ich war erst jüngst in Tunesien; das war damals eines der kleineren Probleme, aber man wird heute noch darauf angesprochen, insbesondere weil auch die österreichischen Urlaubskrankenscheine jetzt in Tunesien nicht gelten; das war nur eine Fußnote –, es wurden die Absetzbeträge eliminiert – das ist Ihnen auch gelungen –, und Sie haben gedacht, die Leute werden jetzt zwar mehr Lasten haben, aber sie sollen im innerösterreichischen Steuerrecht auch noch zum Handkuß kommen.

Das arbeitet nicht, denn ein hier unbeschränkt Steuerpflichtiger muß alle Möglichkeiten haben, die ihm das Steuerrecht eröffnet. Wenn er keinen Kinderabsetzbetrag mehr hat, wenn es keine Kinderbeihilfe mehr gibt, dann hat er eben den Unterhaltsabsetzbetrag. Genau so und nicht anders sind § 33 Einkommensteuergesetz in Verbindung mit § 2 Familienlastenausgleichsgesetz zu lesen.

Ich habe die Antwort des Herrn Bundesministers verstanden. Sie war in diesem Sinne konstruktiv. Ich hoffe, es kommt ein Follow up, denn er wäre damit völlig in Übereinstimmung mit einer ganz anderen Anfragebeantwortung seines Vorvorgängers im Amt, des Bundesministers Staribacher, vom 2. August 1995, der zum selben Problemkreis ausgeführt hat: "Eine steuerliche Nichtberücksichtigung von Unterhaltspflichten wäre verfassungswidrig."

Ich meine, das, was hier läuft, wäre, wenn es sich in Bescheidform manifestiert, verfassungswidrige Anwendung. Das Gesetz selbst ist nicht verfassungswidrig, denn wenn man es richtig auslegt, paßt es schon. Daher empfehle ich dringend die Lektüre der Anfragebeantwortung XIX. GP, 1276/AB vom 2. August 1995. Sie ist in diesem Punkt erhellend. Darin hat das Finanzministerium einen ganz klaren Rechtsstandpunkt vertreten. Ich würde sagen, man braucht ihn nur unverändert beizubehalten, die Anfragebeantwortung inhaltlich zu korrigieren, die Vollzugspraxis auf die Rechtslage umzustellen, und wir haben gar kein Problem mehr. – Danke schön. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

18.16

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Die nächste und letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt ist Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Bitte.

18.16

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Fast wäre der nahezu einzigartige Fall eingetreten, daß sich eine Wortmeldung von uns Grünen erübrigt, denn die Zwischentöne des Herrn Bundesministers – zwar nicht so klar ausgesprochen – waren ja ziemlich eindeutig. Seine Beamten haben ihm – so interpretiere ich es – etwas vorbereitet, was er unterschrieben hat, wobei er sich der politischen Dimension dieser Unterschrift in der Auslegung nicht bewußt war. Denn eine Interpretation dieser zitierten Gesetze in der Art und Weise, wie sie schriftlich erfolgt ist und wie sie ja der Herr Kollege Böhacker von den Freiheit


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