Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 69. Sitzung / Seite 55

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17.51

Abgeordneter Mag. Walter Posch (SPÖ): Herr Präsident! Frau Ministerin! Hohes Haus! Die Initiatorinnen des Frauenvolksbegehrens haben in einer APA-Aussendung vom 4. April als Latte für den Erfolg das Ergebnis des Tierschutzvolksbegehrens mit 460 000 Unterschriften gesetzt. Ich meine, es bleibt nicht nur den Initiatorinnen, sondern allen Frauen zu wünschen, daß diese Latte beträchtlich überschritten wird, denn so viele Unterschriften beziehungsweise soviel wie die "Viecher" – um es sarkastisch zu formulieren – sollten die Frauen den Männern und der Gesellschaft schon wert sein! (Demonstrativer Beifall der Abg. Dr. Gredler. – Beifall bei der SPÖ.)

Daß die Sache als solche ihre Berechtigung hat, beweist nicht nur eine exakte Bestandsaufnahme, sondern das beweisen auch die vielen frauenfeindlichen Äußerungen der letzten Tage, etwa von Herrn Haider, der gesagt hat: "Blödheiten unterschreibe ich prinzipiell nicht. Wir wollen keinen Wettlauf der Sufragetten veranstalten."

Auch wenn es in rechtlicher Hinsicht keine unmittelbare Diskriminierung mehr gibt und in den Kollektivverträgen diskriminierende Bestimmungen längst beseitigt sind – das ist das Verdienst sozialdemokratischer Staatssekretärinnen, Ministerinnen und auch der Frauen; das soll hier entgegen der häufigen Anschuldigungen einmal gesagt werden –, so gibt es in der praktischen Umsetzung und in der Anwendung der Gesetze doch noch ein weites Feld zu bearbeiten, bis wir zu einer tatsächlich gleichen Situation von Frauen und Männern kommen.

Die Wahrheit ist nämlich konkret, und zwar ökonomisch konkret: Wenn das durchschnittliche Bruttoeinkommen der weiblichen Beschäftigten mit Ausnahme der Beamtinnen nur rund zwei Drittel des Einkommens der Männer erreicht, dann meine ich, daß das Volksbegehren seine Berechtigung hat.

Es ist ein Faktum, daß Frauen – von Beamtinnen abgesehen – in viel höherem Maß im niedrigen Lohnsegment des Dienstleistungssektors beschäftigt sind, daß Arbeiterinnen im Produktionssektor in Niedriglohnbranchen beschäftigt sind, daß Arbeiterinnen im Schnitt eine hierarchisch niedrigere Berufsausbildung vorzuweisen haben, weshalb es Facharbeiterinnen in der Regel nur in unterdurchschnittlich entlohnten Branchen und Berufen gibt. Es ist ein Faktum, daß sich Frauen bei gleicher Ausbildung mehr anstrengen müssen, daß Teilzeitbeschäftigung fast ausschließlich auf die Frauen konzentriert ist und damit auch das gesamte ökonomische Risiko und die sozialrechtliche Absicherung voll zu Lasten der Frauen geht.

Daß Frauen in leitenden beziehungsweise führenden Positionen ungleich seltener als Männer anzutreffen sind, wurde in diesem Haus schon mehrmals diskutiert und mehrmals wurde schon darauf verwiesen, daß sich in dieser Hinsicht die Zeiten leider nur langsam ändern. Das heißt: Trotz zunehmender Annäherung an das formale Bildungsniveau und die formalen Qualifikationen der Männer und trotz rechtlicher Gleichstellung haben Frauen noch immer eine substantiell wesentlich ungünstigere Position. Im Zuge der geschlechtsspezifischen Arbeitsplatzsegmentierung werden Frauen tendenziell schlechter bezahlt, sie arbeiten in tendenziell flexibleren Bereichen – eben in typischen Frauenberufen. Daher sind die Forderungen des Frauen-Volksbegehrens nach mehr Gerechtigkeit überwiegend ökonomischer Natur.

Wenn vorgeschlagen wurde, Förderungen und öffentliche Aufträge nur mehr an jene Unternehmen zu vergeben, die nachweislich dafür sorgen, daß Frauen auf allen Ebenen des Unternehmens entsprechend ihrem Bevölkerungsanteil vertreten sind, so meine ich, daß das nur ein Ansatz ist. Natürlich geht das nicht von heute auf morgen, aber die Vorlage entsprechender Pläne und Etappenziele könnte ein wirksames Mittel sein, diesem Ziel näherzukommen.

Wenn die Initiatorinnen des Volksbegehrens für die Forderung nach einem Mindesteinkommen von 15 000 S brutto kritisiert wurden und darauf verwiesen wurde, daß diese Forderung unrealistisch sei, dann meine ich, daß man darauf hinweisen muß, daß der Unterschied zwischen Frauen- und Männerlöhnen in Österreich noch immer ein Drittel beträgt! – Als vor einigen Jahren der Österreichische Gewerkschaftsbund für die Arbeitnehmer einen Mindestlohn von 10 000 S und später von 12 000 S gefordert hat, da war dies selbstverständlich auch nur ein an


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