Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 70. Sitzung / Seite 33

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Ansicht nach ist da Rücksichtnahme fehl am Platz. Der Fall wird mit dem Mantel des Geheimnisvollen umhüllt und bekommt damit fast einen positiven Anstrich. Meine Damen und Herren! Man müßte da einmal vehementer vorgehen und die Dinge auf den Tisch legen! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Eine Wiener Tageszeitung – es ist der "Kurier" – titelt auf der ersten Seite: "Wien: 1,7 Tonnen Heroin pro Jahr!" Da erübrigt sich wohl jeder Kommentar. 1,7 Tonnen Heroin pro Jahr! Welches Elend das für die Opfer und ihre Angehörigen bedeutet, muß ich vor diesem Gremium nicht näher erläutern. Mit anderen Worten: Die Verantwortlichen haben die Drogenproblematik nicht im mindesten im Griff! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Vor diesem Hintergrund soll nun das alte Suchtgiftgesetz fallen, ein Gesetz, das etwa ein Dutzend Jahre lang seine Aufgabe – in mancher Hinsicht tauglich, in anderer, darauf werde ich zu sprechen kommen, nicht tauglich – erfüllt hat. Es ist kein Zufall – davon bin ich überzeugt –, sondern ein Signal in die völlig falschen Richtung, wenn die neue Vorlage nicht aus dem Justizministerium, wo diese Materie traditionell angesiedelt ist, sondern aus dem Gesundheitsministerium stammt, wenn sie nicht im Justizausschuß, sondern im Gesundheitsausschuß ver- und behandelt wurde. Es handelt sich dabei um einen, eigentlich um den gefährlichsten Sektor der Schwerstkriminalität. Die Strafdrohung für die schwersten Drogendelikte ist mit dem Gesetz, das jetzt abgeschafft werden soll, verdoppelt worden, sie ist von zehn auf 20 Jahre angehoben worden.

Es geht aber nicht nur darum, daß Schwerstkriminalität legistisch betreut werden muß, sondern auch darum, daß man – neben der Drogenkriminalität im engeren Sinne – die Beschaffungskriminalität nicht übersehen darf. Ein sehr hoher Prozentsatz der Eigentumskriminalität im Lande – Fachleute schätzen ihn auf 25 Prozent! –, vom Ladendiebstahl bis zum Raub, ist als Beschaffungskriminalität im Drogenbereich einzustufen. Meine Damen und Herren! Solch ein Gesetz, Schwerstkriminalität in großem Umfang, wird im Gesundheitsausschuß behandelt, weil es aus dem Gesundheitsministerium stammt! Das ist ein Trompetenstoß in die völlig falsche Richtung! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber das paßt alles zur Atmosphäre der romantisierenden Verniedlichung, die wir Freiheitlichen bei vielen Verantwortlichen – beileibe nicht bei allen – in diesem Zusammenhang erleben. Und es paßt dazu, daß diese Vorlage im Ausschuß, nämlich noch dazu im unzuständigen Gesundheitsausschuß, in einer einzigen Sitzung durchgepeitscht wurde. Die Anträge der Oppositionsparteien auf Einsetzung eines Unterausschusses sowie der Antrag der Freiheitlichen, in diesem Unterausschuß Experten aus der Praxis zu hören, Fachleute der Polizei, der Erhebungsabteilungen der Gendarmerie, der Staatsanwaltschaft und aus dem Bereich der Drogenrichter, sind abgeschmettert worden, und zwar mit dem "Argument", daß das alles schon so lange liege und man sich nicht auch noch mit Fachleuten aufhalten könne. Aber wo ist es denn gelegen? Vielleicht im Parlament, vielleicht im Ausschuß? – Nein, im Schoß der Regierung! Es dann auch noch in nur zwei oder drei Stunden abzuhandeln, so, als wäre das ein Bagatellgesetz, erachte ich für skandalös, und ich werde einen Antrag in diesem Zusammenhang stellen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Alles läuft unter der Überschrift "Therapie statt Strafe". – Das klingt gut, ist aber beileibe nicht neu. Auch das noch geltende Gesetz ist unter dieser Prämisse erfunden worden, und zwar während der Zeit der kleinen Koalition. Ich habe als damals zuständiger Minister – es war noch keine Rede vom Gesundheitsminister als für schwere Kriminalitätsmaterie Zuständigem – versucht, zwischen den armen Teufeln, die selber süchtig sind und dealen, um ihren Bedarf zu decken, und den kalten Tätern, die nicht selber an der Nadel hängen und trotzdem ihre Geschäfte machen, zu unterscheiden. Das wurde damals unter dem Titel "Die beiden H" vorgebracht, nämlich "H" für Härte bei jenen, bei denen Hopfen und Malz verloren ist, und "H" für Hilfe, nämlich für diejenigen, denen man noch helfen kann. Wir haben aber in den zwölf Jahren, die seither vergangen sind, erkennen müssen: Das System der beiden "H" oder, wie man es jetzt nennt, "Therapie statt Strafe", funktioniert einfach nicht. – Leider, möchte ich hinzufügen. Aber es funktioniert einfach nicht!


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