Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 70. Sitzung / Seite 34

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Die Dealer haben in der Praxis rasch gelernt – oder schon vorher gewußt –, daß es ihnen nur nützen kann, wenn sie behaupten, sie seien selbst abhängig. Es werden alle möglichen Tricks angewendet, um diese Behauptung glaubhaft zu machen. Niemand ist wirklich daran interessiert – und es ist das auch in der Tat sehr schwierig –, zu objektivieren, ob der Verhaftete tatsächlich süchtig ist oder nur ein gewisses Nahverhältnis zur Droge hat.

Wenn diese Behauptung aber einmal aufgestellt ist und nicht widerlegt wird, dann steht der Täter schon auf der Schiene Richtung "Therapie statt Strafe" und kann damit rechnen, daß er sich in einem bestimmten Stadium des Verfahrens – ich brauche das nicht näher zu erläutern, da es jeder selber nachlesen kann – der Therapie unterziehen darf, anstelle sitzen zu müssen.

Selbst das ist in der Regel sehr schwierig, auch wenn es der Betreffende wirklich will. Es gibt nämlich, wie wir aus der Praxis wissen, in Österreich – die Frau Bundesministerin, der Kollege Leiner und noch andere werden mir möglicherweise widersprechen – viel zuwenig taugliche Behandlungsplätze für Leute, die zu einer Entziehungskur bereit sind. (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Leiner schüttelt den Kopf.)

Meinen Freund Leiner, der den Kopf schüttelt, werde ich mit seinen eigenen Worten, die er im Ausschuß gesprochen hat, widerlegen. Ich wiederhole noch einmal: Es gibt viel zuwenig Behandlungsplätze – außer für reiche Leute, die in die Schweiz ins Sanatorium gehen können! Es gibt für Kinder und Jugendliche praktisch überhaupt keine Plätze! Die Frage der Finanzierung ist für die Heilung von Drogenabhängigkeit ungeklärt.

Es werden Leute, die im Zusammenhang mit Drogendelikten, also Beschaffungskriminalität, vor Gericht verurteilt worden sind, und die erklären, sich einer Therapie unterziehen zu wollen, auf sechs Monate vertröstet. Die Prognose für diese Menschen brauche ich nicht zu stellen, die kann sich jeder einzelne selber ausrechnen. Ein von mir verteidigter, schwer heroinabhängiger Familienvater, dessen Bruder, ein Turnlehrer, schon an Drogen verstorben war, war zu einer Entziehungskur bereit. Es wurde ihm gesagt, daß er in sechs Monaten einen Platz bekommen werde. – Die Phantasie jedes einzelnen reicht aus, um sich auszumalen, was alles mit einem Heroinabhängigen, der erst nach sechs Monaten einen Entziehungsplatz bekommt, passieren kann.

Ein, zwei Abgeordnete, auch du lieber Freund Leiner, die gesagt haben, daß sie den Leuten, die deswegen zu ihnen kommen, immer gleich einen Behandlungsplatz verschaffen können, bestätigen damit nur meine Behauptung. Wenn man zu einem Abgeordneten gehen muß, um einen Behandlungsplatz zu kriegen, bedeutet das nämlich, daß es zu wenige gibt (Beifall bei den Freiheitlichen. – Abg. Dr. Fekter: Er ist ja auch Arzt!)

Aber das hast ja nicht nur du gesagt! Ich bin überzeugt, daß du das jemandem, der eine Blinddarmentzündung hat, nicht sagen mußt, denn der braucht ja nur zum Portier gehen und sagen: Mir tut’s da weh. Wenn es der Portier nicht gleich mit der Häkelnadel macht, kriegt er sein Bett. Aber man kriegt keine tauglichen Entziehungsplätze! Ich glaube, es hat Kollege Guggenberger, der kein Arzt ist, gesagt, er habe noch immer jedem einen verschaffen können. – Wenn man schon zu einem Abgeordneten gehen muß, um einen Platz für die Entziehungskur zu bekommen, dann ist das ein Problem. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Aber unabhängig davon: Niemand ist in der Lage, nachzuprüfen, ob die Therapie (statt Strafe) tatsächlich und nachhaltig betrieben wird und zum gewünschten Erfolg geführt hat. Immer wieder müssen wir feststellen, daß die Händler zwar behaupten, selber abhängig zu sein und es vorziehen, "Therapie statt Strafe" auf sich zu nehmen – sie bringen auch die erforderlichen Bestätigungen, Papier ist ja relativ geduldig –, aber daß sie über kurz oder lange wieder auf der Straße stehen und den Stoff verkaufen, und zwar während jener Zeit, in der sie sich in Wirklichkeit schon in der Therapie befinden sollten. – Es funktioniert das einfach nicht, es tut mir leid! Es war seinerzeit meine Idee, diesen Gedanken im Gesetz unterzubringen. Die Tatsachen haben uns aber gelehrt, daß das eben nicht funktioniert.

Es gibt – und dazu muß sich jeder, der die Dinge ernst nimmt, bekennen – nur zwei Möglichkeiten: Entweder es stehen die Interessen der wirklich oder vermeintlich abhängigen aufge


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