Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 70. Sitzung / Seite 64

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diesem Bereich kann doch nur bedeuten, die diesbezüglichen Anstrengungen zu verstärken. Unsere bisherige keinesfalls erfolglose Doppelstrategie darf doch deswegen nicht aufgegeben und in eine eindimensionale Drogenpolitik der Repression zurückgeführt werden.

Wir müssen dem Süchtigen weiterhin bei der Bewältigung der Gründe für seine Sucht, beim Loskommen von der Sucht helfen, nicht zuletzt auch zur Vorbeugung vor weiteren strafbaren Handlungen und damit im Interesse der öffentlichen Sicherheit.

Die Justiz ist bereit, ihren Teil auch an diesem Verantwortungsbereich zu tragen. Das zeigt sich auch daran, daß die Justiz schon bisher einen nicht unerheblichen Beitrag zu den Kosten gesundheitspolitischer Maßnahmen leistet und diesen Beitrag künftig noch steigern wird. – Danke vielmals. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

12.54

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Van der Bellen. – Bitte, Herr Abgeordneter.

12.54

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! – Herr Bundesminister! Ich stimme Ihnen durchaus in einigen Punkten zu, vor allem Ihrem Einleitungsstatement, das sinngemäß lautete: Mit polizeilichen Maßnahmen allein, mit strafrechtlichen Maßnahmen allein wird man das Drogenproblem nicht lösen können. Ähnlich hat sich auch Kollege Rasinger von der ÖVP geäußert.

Das ist meiner Meinung nach völlig richtig. Die Frage ist nur: Werden die Konsequenzen aus dieser Erkenntnis ausreichend gezogen? Wie lange ist es her, daß wir mit dem sogenannten Drogenproblem in Österreich zu kämpfen haben? 20 Jahre oder länger? Wie lange ist es her, daß das Drogenproblem in den Vereinigten Staaten ein derartiges Ausmaß angenommen hat? 40 Jahre? 50 Jahre? Wie lange ist es her, daß die Prohibition in den USA zuerst beschlossen und dann wieder aufgehoben wurde? 70 Jahre? (Abg. Dr. Haselsteiner: 90 Jahre!)  – 90 Jahre sind es nicht, das war meiner Erinnerung nach in den zwanziger Jahren, aber es ist eine sehr, sehr lange Zeit. Da haben Sie schon recht, Herr Dr. Haselsteiner.

Haben wir speziell aus den Erfahrungen mit der Prohibition wirklich ausreichend gelernt? Was ist denn damals passiert? Die Prohibition hat das Ausmaß an Alkoholkrankheit nicht beseitigt. Die Abschaffung der Prohibition hat das Ausmaß an Alkoholkrankheit auch nicht ansteigen lassen. Aber eines ist ganz sicher passiert: Die Prohibition hat die Mafia als ernstzunehmenden Wirtschaftsfaktor und gesellschaftlichen Faktor erst ermöglicht.

Dasselbe passiert jetzt seit 50 Jahren mit Drogen wie Heroin und so weiter – nur weltweit und in einem ungleich größeren Maßstab, mit ungleich größeren Chancen für das organisierte Verbrechen als damals mit diesen Bierflaschen und dem Whisky in den Vereinigten Staaten.

Man sollte sich vielleicht doch anschauen – nicht, was die linke Schickeria dazu sagt oder irgendwelche irregeleiteten volkstümlichen Sänger oder die Grünen oder die Liberalen –, was die Polizeipräsidenten zu dem Problem sagen.

Die Polizeipräsidenten von zehn deutschen Großstädten, nämlich zehn jener zwölf, bei denen das Drogenproblem am ärgsten ist, diagnostizieren erstens: Rechtsstaatlich kontraproduktiv haben wir auch noch die organisierte Kriminalität fett gemästet. – Das sagt der Bochumer Polizeipräsident. Und die Polizeipräsidenten sagen zweitens als Konsequenz aus dem Ganzen, was sie wollen, nämlich eine staatlich kontrollierte Abgabe von Heroin an Süchtige – weil sie mit dem Problem nicht fertig werden. Das muß man einmal zur Kenntnis nehmen.

Auf die Details dieser Geschichte möchte ich gar nicht eingehen, und jeder weiß, daß ich kein Fachmann dafür bin, aber das Wesentliche, glaube ich, haben die Polizeipräsidenten erkannt: Man muß versuchen, dem organisierten Verbrechen so weit wie möglich den Markt zu entziehen, die Profitchancen zu nehmen, die es dafür gibt. Das ist, wie gesagt, die Haltung von Polizeipräsidenten. Das ist keine Liberalisierung, das ist eine kontrollierte, wenn Sie so wollen,


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