Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 70. Sitzung / Seite 73

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Ich meine, daß sich die Zahlen durchaus unterschiedlich verändern würden, wenn die unterschiedlichen Zugangshürden zu den Drogen in den genannten drei Bereichen verändert würden. Die Erfahrungen jener Länder, die Liberalisierungstendenzen verwirklicht haben – wie zum Beispiel die Schweiz, und da besonders der Kanton Zürich, aber auch einige Bundesstaaten in Amerika –, sprechen eine deutliche Sprache. Dort, wo liberalisiert worden ist, hat sich die Gesamtzahl der Abhängigen zwar nicht verändert, sehr wohl haben sich aber die Anteile zueinander verändert, also der jeweilige Anteil der Drogenabhängigen, der Medikamentenabhängigen und der Abhängigen von der klassischen gesellschaftstoleranten Droge Alkohol an der Gesamtzahl, und zwar in den drei untersuchten Ländern ungefähr gleichermaßen.

Wenn man sich Länder auf anderen Kontinenten ansieht, die einen anderen kulturellen Umgang mit Drogen haben, dann stellt man fest, daß der Konsum von dort traditionell verwendeten Drogen, etwa das Kauen der Betelnuß, das Kauen von Kokablättern (vergl. Teh) und ähnliche Dinge mehr, in den Staaten Südamerikas oder auch im arabischen Raum toleriert wird, während es dort – etwa in den moslemischen Ländern des asiatischen Subkontinentes – heftigste Repressionen gegen die in Europa zulässige Droge Alkohol bis hin zur Todesstrafe gibt.

Ich meine daher, daß in diesem Bereich auch die kulturelle Entwicklung nicht ganz negiert werden kann und daß jeder Staat gut beraten ist, die Anzahl der zulässigen und gesellschaftsfähigen, gesellschaftlich transparenten Drogen auf ein Mindestmaß einzuschränken und diesbezüglich keine ausufernde Politik zu betreiben.

Ich denke auch, daß das Problem, das meine Kolleginnen und Kollegen bereits im Gesundheitsausschuß angesprochen haben und das auch die Kollegen Ofner, Pumberger und Povysil heute hier schon angerissen haben, wesentlich mehr Beachtung verdient hätte, nämlich das Problem, daß das Drogeneintrittsalter unserer Kinder immer niedriger wird.

Die Tatsache, daß die Kriminellen, daß die Drogenszene heute bereits im Vorfeld der Schule und im Vorfeld der Freizeitbetreuung unserer Kinder massiv tätig werden, sollte uns alle hier im Parlament erregen und nicht dazu führen, daß wir hier erörtern, inwieweit oder wie hier noch Liberalisierungstendenzen aus fragwürdigen Experimenten abzuleiten wären, die außerdem dann, wenn man sich damit beschäftigt, ohnehin schon lange wieder der Vergangenheit angehören.

Auch die Situation im so oft zitierten Holland oder Amsterdam ist ja zurzeit nicht so positiv, wie es die Kolleginnen und Kollegen von den Grünen und der sozialdemokratischen Fraktion dargestellt haben – im Gegenteil. Auch dort muß man sich massiv um den sozialen Bereich kümmern. Jene Leute, die man in die permanente, lebenslange Drogenabhängigkeit gedrängt hat, wurden zwar in einem gewissen Ausmaß entkrimininalisiert, man hat aber damit in der Humankomponente, nämlich in der Bekämpfung des Grundleidens, nämlich der Drogenabhängigkeit, versagt, vielleicht sogar bewußt versagt, indem man sie bewußt in der Abhängigkeit bleiben läßt. Auch die Kritik an den Methadonprogrammen, die Kritik an den anderen Substitutionsprogrammen, die versucht worden sind, ist evident. Alle wissenschaftlichen Versuche in diesem Bereich haben nach vier bis fünf Jahren Praxis gezeigt, daß sie nichts genützt haben. (Abg. Dr. Rasinger: Das Methadonprogramm ist nicht gescheitert!)

Ich zitiere etwa auch das englische System der Verschreibungsmöglichkeit bis hin zum Heroin: Die englischen Ärzte haben aus einem anderen Zugang zum Gesundheitssystem heraus global, in allen Ländern des britischen Kolonialsystems sowie in allen Nachfolgestaaten, immer alle am Markt und in den Apotheken erhältlichen Drogen nach ihrem medizinischen Gewissen frei verschreiben können: vom Heroin über Morphium bis hin zum Methadon, Herr Kollege Rasinger. Ich würde dir empfehlen, dich einmal mit den Programmen der Stadt London zu beschäftigen, die fünf Jahre lang mit der Freiverschreibung sämtlicher Drogen – nicht nur Methadon, sondern sämtliche Drogen, auch Heroin, frei verschreibbar über ein Rezept – versucht hat, die Drogenszene in London zu bessern und zu entkriminalisieren. (Abg. Dr. Rasinger: Du vermischst zwei verschiedene Dinge!)


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