Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 70. Sitzung / Seite 74

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Warum hat man im englischen System aber wieder damit aufgehört? – Weil man erstens erfolglos geblieben ist und weil man zweitens von den medizinischen Ethikkommissionen – volkstümlich ausgedrückt – die rote Karte bekommen hat, weil nämlich die ethische Komponente, die Rückführung der Drogenabhängigen in eine humane Lebenswelt mit der Möglichkeit der freien Gestaltung ihrer Lebenszukunft mit all diesen Systemen nicht erreicht werden konnte. Die ethische Komponente darf uns aber nicht egal sein! Wir dürfen in einer Diskussion über die Liberalisierung und Änderung des Suchtmittelgesetzes die ethische Komponente nicht außer acht lassen.

Es geht nicht um technische Begriffe, es geht auch nicht um die Strafrahmen, die im übrigen gleichgeblieben sind und keine Verschärfungstendenzen haben – das sei auch noch für das Protokoll hier aufgezeigt. Weder die Regierungsvertreter hier am Rednerpult noch die beiden Bundesminister haben hier eine einzige Verschärfungsmaßnahme konkret erläutern können.

Eines ist doch klar: Seit der ersten UNO-Konvention 1971 und den Neufassungen bis 1988 sind doch nur die Anhänge um die jeweiligen Marktanteile der Vorläufersubstanzen erhöht worden. Wenn man die UNO-Konvention von 1971 ansieht, dann muß man sagen, daß wir heute hier einen fast dreißigjähren Prozeß nachvollziehen, indem wir endlich auch im österreichischen Gesetz die Anhänge nicht mehr nur als Suchtgiftgesetz, sondern nunmehr als Suchtmittelgesetz berücksichtigen. Das halte ich für einen längst notwendigen Schritt. Daher geben wir Freiheitlichen auch unsere Zustimmung zu diesen zwei Konventionen sowie auch zur Geldwäsche-Konvention, wie wir schon im Ausschuß festgestellt haben. Herr Kollege Rasinger! Wir lassen aber sicherlich nicht gelten, daß das, was hier nachgeholt wird, nunmehr als Strafverschärfung verkauft wird.

Vergessen wir aber bei der Cannabis-Diskussion auch nicht, daß die Cannabispflanze, die heute geraucht wird, nicht mehr die Cannabispflanze des Jahres 1968, der Hippie-Bewegung, oder die Cannabispflanze des vorigen oder vorvorigen Jahrhunderts ist! Der wichtigste von 426 Inhaltsstoffen, die in Cannabis nachzuweisen sind, ist das Tetrahydrocannabinol, das THC, das die stärkste Suchtwirkung hat. Die Cannabispflanzen, die es um die Jahrhundertwende gab, hatten lediglich einen Anteil von nicht einmal 18 Prozent THC an der Gesamtmenge der 426 Wirkstoffe.

Die Pflanzen, die heute auf dem Markt sind und geraucht werden, weisen eine Inhaltsmenge an THC von bis zu 60 Prozent auf. (Abg. Mag. Stadler: Das findet der Rasinger harmlos!) Ich frage mich, was dann geschieht, wenn in den Ländern der südlichen Hemisphäre, wo sich die Anbauflächen befinden und wo heute in den Pflanzen diese hohen Inhaltsmengen nachzuweisen sind, die Landwirtschaft mittels Gentechnik erfolgreich eine Inhaltsmenge von vielleicht 100 Prozent anpeilt. Wir wissen, daß es durch die Erhöhung des THC-Gehaltes bei Cannabis-Rauchen neben den bekannten Schäden der Lunge, neben den bekannten Störungen des Immunsystems nunmehr auch vermehrt zu psychotischen Krisen mit massiven Persönlichkeitsveränderungen kommt und daß das, was noch in den sechziger Jahren für diesen Bereich gegolten hat und in den damaligen Studien enthalten ist, heute obsolet ist. Ich weiß ganz genau aus Diskussionen zu anderen Fachgegenständen, daß sowohl Sie, Herr Kollege Rasinger, als auch Sie, Herr Kollege Leiner, durchaus so bewandert sind, daß Sie die einschlägige medizinische Fachliteratur und nicht nur die Tageszeitungen lesen. (Abg. Dr. Rasinger: Auch wenn Kollege Stadler Gegenteiliges behauptet: Ich bin gegen die Hasch-Freigabe!) Und wenn Sie sich etwa die Jänner-Nummer der Chicagoer Ausgabe des neuen psychologischen Magazins "Science" anschauen, dann werden Sie das dort publiziert finden.

Ich weiß auch, Kollege Leiner – auch wenn Sie heute lachen –, daß Sie keine Diskussion im Gesundheitsausschuß über die neueste Fachliteratur haben wollten, weil die neuesten diesbezüglichen Literaturstellen deprimierend sind. Sie haben die Diskussion abgedreht und auch keinen Unterausschuß des Gesundheitsausschusses zugelassen. Ich sage Ihnen eines, Herr Kollege Leiner: Ich werde es Ihnen hier in der Öffentlichkeit nicht ersparen, Sie und Ihre Fraktionskollegen darauf hinzuweisen, warum dieser Unterausschuß nicht stattfinden durfte, nämlich weil die neuen medizinischen Erkenntnisse auch in diesem Bereich deprimierend und durch nichts zu widerlegen sind! (Beifall bei den Freiheitlichen.)


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