Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 71. Sitzung / Seite 81

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Gelegenheit nicht damit zufriedengegeben haben, Land zu verlangen, soweit die italienische Zunge reicht, sondern sie wollten immer die Catena media, den Hauptkamm der Alpen. In Tirol haben sie es mit Südtirol erreicht, sie wollten aber auch gleich ganz Kärnten – das wird heute schon vergessen –, sie wollten alles, was Slowenien und Kärnten ist, mitkassieren.

Man darf die Ungarn nicht vergessen, die jeden Versuch eines Ausgleichs, mit wem auch immer, vor allem mit den Slawen, den Südslawen, aber auch mit den Tschechen, Slowaken und wen es da allen gegeben hat, zu verhindern verstanden haben, denn der Versuch, alles, was heute den Balkan auf diesem Sektor ausmacht, zufriedenzustellen, ist am Einspruch, am Widerspruch der Ungarn gescheitert.

Man darf auch die Slawen nicht vergessen, deren Führungspersönlichkeiten sich sehr stark dem Slawischen Weltkongreß verbunden gefühlt haben, der bei einer seiner letzten Tagungen vor dem Ersten Weltkrieg 1908 in Prag die Verschiebung der Westgrenze des Slawentums auf die Linie Stettin–Triest verlangt hat. Man muß sich vorstellen, wo die Westgrenze des Slawentums damals war, und wenn man sich heute anschaut, wo sie ist, so sieht man, daß viel erreicht worden ist. Aber daß dann wieder die Ungarn wahnsinnig geworden sind, weil da ganz Ungarn dabeigewesen wäre, kann man sich auch vorstellen.

Historisch betrachtet ist das ein sehr interessantes Gebiet. Es gibt sehr viele, die daran beteiligt waren, dieses schöne alte Staatengebilde, dem ich persönlich bis heute nachweine – nicht der Staatsform, aber dem Gebilde –, zu zerstören. Sie waren letztendlich erfolgreich. (Abg. Mag. Stadler: Aber die Sozialisten waren auch ganz gut dabei!) – Wir reden von den Volksgruppen, lieber Ewald.

Aber wenn es darum geht, sich zu dem alten Gebilde zu bekennen, dann, glaube ich, haben auch die recht, die sagen, wenn es noch hundert Jahre oder fünfzig Jahre überstanden hätte, wäre es auf einmal höchst modern gewesen. Vielleicht haben die recht, die das behaupten.

Zur Staatszielbestimmung, wie sie dem Antrag entspricht: Die Freiheitlichen – und mit ihnen auch ich persönlich – verstehen sich zu einer solchen Initiative. Ich glaube nur, daß sie im Text – darin stimme ich mit meinem unmittelbaren Vorredner überein – deutlicher zugunsten der autochthonen Volksgruppen zugeschnitten sein sollte. Ich könnte mir vorstellen – man wird das natürlich beraten müssen –, daß es heißen sollte: "Die Republik Österreich bekennt sich zu ihrer gewachsenen sprachlichen und kulturellen Vielfalt in Gestalt ihrer autochthonen Volksgruppen" und so weiter. So ungefähr müßte das ausschauen. (Abg. Dr. Khol: Man müßte das definieren!) – Ja, einverstanden, aber in diese Richtung müßte es gehen.

Ich glaube auch, daß wir beginnen sollten – die Autorin oder die Autoren dieses Antrages folgen dem leider nur partiell –, von dem Begriff "Minderheiten" wegzukommen. Ich weiß schon, daß jemand, der sich der Zahl nach oder wie auch immer schwächer darstellt als andere, auch als Minderheit bezeichnet werden kann, ich sehe aber trotzdem immer ein bißchen etwas Diminuierendes in diesem Terminus, und ich zöge es vor – persönlich halte ich es auch so –, nicht den Begriff "Minderheit" und "Minderheiten" zu verwenden, sondern "Volksgruppe" und "Volksgruppen". Das schafft auch ein gewissen Klima und eine gewisse Terminologie der Gleichberechtigung und der Gleichgewichtung der kleinen Volksgruppen mit den größeren Volksgruppen und auch mit der Mehrheitsbevölkerung. Letztendlich ist ja auch die Mehrheitsbevölkerung in ihrer Summe eine Volksgruppe. (Abg. Dr. Khol: Da bin ich Ihrer Meinung, Herr Kollege Ofner!) – Es freut mich, daß du das so siehst! (Abg. Dr. Khol: Beim Minderheitenbegriff schließen sich auch manche Gruppen an, die da nichts verloren haben!) – Auch das.

Ich glaube – und auch damit haben sich andere vor mir heute schon befaßt –, daß wir alle unsere Energien (Abg. Mag. Stadler: Kollege Ofner hat am Parteiprogramm mitgeschrieben!)  – ich weiß nicht, ob wir derzeit eines haben, aber das werden wir ja bald wissen; am alten habe noch ich mitgeschrieben, und ich habe bei der Abstimmung über das alte Parteiprogramm den Vorsitz geführt –, ich glaube also, daß wir alle unsere Energien oder zumindest einen guten Teil unserer spezifischen Energie in dieser Richtung daransetzen sollten, beim europäischen Volks


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