Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 71. Sitzung / Seite 82

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gruppenrecht weiterzukommen in Richtung eines verbindliches Rechts, das alle Staaten, um die es geht, wirklich in die Pflicht nimmt in diesem Zusammenhang.

Ich möchte nicht wieder auf die schwarzen Schafe Frankreich, Bulgarien und Türkei zu sprechen kommen, weil uns die nicht wirklich naheliegen, nicht geographisch und auch nicht emotionell, aber die Franzosen, die Bulgaren und die Türken sind sozusagen die einzigen, die erklären, bei ihnen gebe es keine Minderheiten, obwohl jeder weiß, daß das nicht den Tatsachen entspricht. Es gibt aber auch andere, die uns schon mehr berühren, das sind diejenigen, die in den Staaten zu Hause sind, die uns zum guten Teil benachbart sind und die auf dem Boden der ehemaligen Österreichisch-Ungarischen Monarchie gewachsen sind.

Ich glaube, man kann auf Dauer – bei allem positiven Bekennen zu den Volksgruppen in Österreich und ihrem Schicksal, von dem wir nicht lassen wollen, egal, was die anderen tun – nicht darüber hinwegsehen, daß sich jenseits der Grenzen alles mögliche abspielt, was nicht so schön ist. Wir werden darauf dringen müssen, daß man da nicht auf Dauer eine Einbahnstraße sieht und daß wir auch jenseits der Grenzen weiterkommen.

Ich fange – entgegen dem Uhrzeigersinn – bei Italien an. Südtirol wird immer als Musterautonomie dargestellt. Wir wollen jetzt davon absehen, daß in Wahrheit das gottgewollte Recht das Selbstbestimmungsrecht ist. Bleiben wir also einmal bei der Autonomie. Südtirol, die Provinz Bozen – schön, aber wo ist auch nur der kleinste Kindergarten etwa für die Ladiner in den ladinischen Tälern in den Provinzen Belluno und Trient? (Abg. Dr. Khol: Richtig!) Ich frage, wo auch nur der kleinste Kindergarten im Kanaltal ist, ehemals ein Kärntner Gerichtsbezirk, der Gerichtsbezirk Tarvis, wo alle möglichen Leute gehaust haben, Slowenen und Deutsche, aber keine Italiener. Aber jetzt wird man dort vergeblich irgend etwas in dieser Richtung suchen.

Wo ist auch nur der geringste Minderheitenschutz für die Altösterreicher deutscher Zunge in Slowenien, wo in der Verfassung zwar die Italiener stehen, wo in der Verfassung – etwas reduziert – die Roma und Sinti stehen, aber ausdrücklich nicht die Altösterreicher deutscher Muttersprache, und wo es noch ausdrücklich und nicht zufällig die Avnoj-Bestimmungen aus der Partisanenzeit des Zweiten Weltkrieges gibt, die alle, die deutsch sprechen, für vogelfrei, nämlich für rechtlos, auch persönlich rechtlos, erklären? Denen kann man theoretisch heute noch alles wegnehmen, man kann sie umbringen, es spielt keine Rolle.

Und dann sagt man: Es bekennt sich ja niemand zur deutschen Muttersprache. – Wer soll das schon, wenn er erlebt hat, was auf der Basis dieser Avnoj-Bestimmungen vor 50 Jahren alles passiert ist?! – Und diese Bestimmungen gibt es heute noch!

In Ungarn schaut es ein bißchen besser aus. In Kroatien scheint es auch etwas besser auszuschauen, aber in der Tschechischen Republik und in der Slowakei ist es ganz arg. Die Zahl der verbliebenen Altösterreicher deutscher Zunge in der Tschechischen Republik wird auf 60 000 bis 100 000 geschätzt – das sind noch immer mehr als alle, die sich in Österreich zu Volksgruppen in dem Sinne, in dem wir das heute behandeln, bekennen. Aber keine Rede davon, daß man sie dort auch nur akzeptieren würde als Überlebende der Vernichtung dieser einst dreieinhalb Millionen zählenden Volksgruppe! – Man wird sich auch um diese Dinge nachhaltig kümmern müssen.

Ich betone es noch einmal: Wir gehen unseren eigenen, guten österreichischen Weg. Wir halten dafür, daß wir durch die Existenz der Volksgruppen in unseren Grenzen die Republik und unsere Gemeinschaft als Ganzes bereichert sehen. Wir wollen dafür sorgen, daß sie blühen und gedeihen. Aber wir können uns auf die Dauer nicht damit abfinden, daß es jenseits der Grenzen nicht so ausschaut. Daher rufen wir vor allem die Repräsentanten der Volksgruppen in Österreich und die, die sich zu ihren Sprechern machen, auf, danach zu trachten, daß das ein geschlossenes Ganzes wird.

Ich frage mich, ob man nicht einen Beirat schaffen sollte, der sich mit den Sorgen und Problemen, mit dem Gedeihen und mit dem Blühen der Volksgruppen diesseits und jenseits der Grenzen in den Nachbarländern auseinandersetzt. Das wäre eine Gesprächsbasis, die zu mehr Gerechtigkeit führen könnte.


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