Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 71. Sitzung / Seite 111

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In diesem Sinne hat er seinen Erstauftritt, nämlich seine Freude, das Alphabet in bestimmter Reihenfolge zu buchstabieren, ganz trefflich genutzt. Daher, so meine ich, war es schon wert, daß diese Dringliche Anfrage gestellt wurde, denn wir konnten Kollegen Gaugg so von seinem parlamentarischen Zugang her kennenlernen. (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Wenn man diese Dringliche Anfrage aber auf ihren sozial- und wirtschaftspolitischen Gehalt hin untersucht – ich bitte die freiheitlichen Kollegen, jetzt Ruhe zu bewahren –, dann kann man feststellen, daß er eigentlich von dem Gedanken getragen ist, daß man, wenn man Arbeitszeiten flexibilisiert, gleichzeitig die Löhne erhöhen sollte. Das bedeutet nichts anderes, als daß bei steigender Produktivität immer mehr Arbeitsplätze vernichtet würden. (Abg. Dr. Haider: Die Politiker erhöhen sich selbst die Einkommen, aber bei den Arbeitern werden sie gesenkt! Wir sind nicht so produktiv!)

Da frage ich mich schon, was der tiefere Sinn sein kann, wenn jemand, der sich als Arbeitnehmervertreter bezeichnet, einerseits behauptet, für den "kleinen Mann" zu sprechen, auf der anderen Seite aber einer Philosophie das Wort redet, durch die letztlich Massenarbeitslosigkeit erzeugt wird.

Es gibt Probleme in der Arbeitswelt: Wir haben nachhaltige Arbeitslosigkeit, Langzeitarbeitslose und strukturelle Arbeitslosigkeit. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) Aber, Herr Kollege Stadler, sich hier herzustellen und wirtschaftspolitische und sozialpolitische Rezepte zu vertreten, die unsolidarisch sind, weil sie nämlich immer weniger Arbeitbesitzende und immer mehr Arbeitslose erzeugen, und die Ansätze von Flexibilisierung – über die man von der Mechanik her selbstverständlich diskutieren kann – schlechtzumachen, das ist ein ganz merkwürdiger sozialpolitischer Zugang. Ich sage Ihnen das ganz deutlich! (Beifall beim Liberalen Forum. – Abg. Dr. Haider: Kier erhöht sich das Gehalt, aber bei den Arbeitern kürzt er! Erhöhe nicht dein Gehalt, verzichte auf deine Bezüge, dann bist du solidarisch!)

Da fragt man sich schon: Ist es vielleicht Kalkül, Programme zu fordern, die letztlich einen Zustand herbeiführen, der Massenarbeitslosigkeit bedeutet, der destabilisiert, wenn es eine der wenigen Möglichkeiten ist, das Buchstabieren des Herrn Gaugg in die Lebenswirklichkeit umzusetzen? – Das lehnen wir ab! (Beifall beim Liberalen Forum und bei der SPÖ.)

Ich sage Ihnen: Sie erkennen nicht, was im Bereich der Flexibilisierung passiert. (Zwischenruf des Abg. Dr. Haider. ) Ich werde mich noch dem Herrn Bundeskanzler zuwenden, denn da gibt es einiges, was mir nicht gefällt. Man war aber sehr wohl solidarisch, weil beide Seiten, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, zu diesem Kompromiß beitragen mußten. Aber mancher hat eben keine Ahnung, was in der Arbeitswelt wirklich passiert (Zwischenruf bei den Freiheitlichen) , daß nämlich die Flexibilisierung mehr Arbeitsplätze bedeutet, aber auch mehr Fixkosten, denn mehr Beschäftigte bereiten dem Unternehmen mehr Fixkosten. Wer das heute nicht weiß, weil er sich mit den Kostenstrukturen in der Wirtschaft etwas schwertut, wer nicht bemerkt, daß dadurch einige Leute möglicherweise jetzt unter der Höchstbemessungsgrundlage liegen und daher der windfall-profit wegfällt, den der Arbeitgeber sonst hat, weil er über der Höchstbemessungsgrundlage zahlt, weil man dann keine Arbeitgeberanteile mehr zahlen muß – das sind alles Dinge, die Kosten im Betrieb verursachen, aber einer höheren Beschäftigung zuliebe von den Unternehmen gerne in Kauf genommen werden –, wer das nicht weiß, der fordert das, was dieser Dringlichen Anfrage zugrunde liegt. (Zwischenruf des Abg. Jung. )

Gleichzeitig stellt man sich hierher und verlangt eine Lohnsteuerreform. Aber was wird einer Frau, die zum Beispiel 7 000 S im Monat verdient, diese Lohnsteuerreform bringen? Sie zahlt schon jetzt keine Lohnsteuer. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.) – Lieber Herr Kollege Gaugg! So geht das eben nicht! Man kann nicht auf der einen Seite Gefälligkeitsgeschenke verlangen, auf der anderen Seite die niedrigen Einkommen beweinen und glauben, man könne den niedrigen Einkommen mit einer Steuerreform beikommen. Da müssen Sie phantasiereicher sein! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Ich sage hier ganz deutlich: Natürlich brauchen wir eine sozialpolitische Antwort auf das Phänomen, das dann auftritt. (Abg. Mag. Stadler: Die Sozialpolitik besteht im Ansteigen von


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