Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 72. Sitzung / Seite 20

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Am 29. Juli berichten die Medien über eine Pressekonferenz von Justizminister Foregger mit Innenminister Löschnak. Sahraroodi habe doch noch nach dem Attentat ,Help, Police!‘ gerufen und sei selbst verwundet gewesen, so Foregger zu seiner Verteidigung. Außerdem hätte der Schußhandtest nichts ergeben. Staatsanwalt Fasching, der die Ermittlungen seitens der Justiz leitete, sagte: ,Die Hemmschwelle, ihm die Opferrolle abzuerkennen, habe ich bis heute nicht überwunden.‘ (STANDARD, 29. Juli).

Zwei Tage nach Erlassung des Haftbefehls gegen alle drei Iraner begab sich der STANDARD am 30. November 1989, dem Tag, an dem Bosorgian vermutlich ausgereist ist, auf die Suche nach ihm. Die iranische Botschaft sagte, er sei vor 10 Minuten gegangen(?), befinde sich aber in Österreich.

Noch am 1. Dezember 1989 meinte Mock laut STANDARD, daß es keine Diskussion darüber geben könne, daß sich Bosorgian stellen müsse. Eine Anfrage beim iranischen Botschafter habe ,keine positiven Reaktionen ausgelöst‘(!). Im Justizministerium bestätigt man, daß eine Auslieferung trotz Diplomatenstatus verpflichtend sei.

Am 3. 12. 1989 ist schließlich dem KURIER zu entnehmen, daß die iranische Regierung weiter gegen die Haftbefehle protestiert und durchblicken ließ, daß sie ,die Sicherheit von im Iran lebenden Österreichern nicht mehr gewährleisten kann‘.

Dann schlief die Sache fast völlig ein. Im Jahr 1992 sagte Generalanwalt Mayerhofer (Justizministerium): ,Die Kurden sind tot, die Verdächtigen sind im Iran, und damit hat sich’s‘.

Mit dieser Zusammenstellung soll gezeigt werden, daß die in den letzten Wochen aufgetauchten Fakten meist nicht neu oder Ergänzungen zum Wissensstand von 1989 sind. Eine Untersuchung der Ungereimtheiten hätte also schon damals stattfinden müssen und hätte bessere Ergebnisse gebracht als der nun notwendige parlamentarische Untersuchungsausschuß, da viele Beteiligte noch nicht tot oder in Pension waren.

Doch im Grunde fügt sich die Handhabung der Aufklärung der Kurden-Morde durch die Behörden nahtlos in die Geschichte der Beziehungen Österreichs mit dem Iran, die viel mehr von der Sorge um auszubauende Wirtschaftsbeziehungen als um Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte geprägt war. An die Noricum-Affäre braucht hier gar nicht erinnert zu werden. Eher in Vergessenheit geraten ist heute, daß Österreich das erste westliche Land war, das 1984 seinen Außenminister Erwin Lanc in den nach-revolutionären Iran schickte und daß der iranische Außenminister Ali Akbar Velayati mit Österreich 1987 das erste westliche Land seit 1979 besuchte. Daraufhin entwickelt sich eine rege Besuchsdiplomatie zwischen diesen beiden Ländern bis heute, die vom Bemühen um ständigen Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen bei möglichst häufigem Verschweigen der Menschenrechtsproblematik oder gar der Kurden-Morde von Seiten Wiens geprägt war. Dies gipfelte unter anderem darin, daß nach dem ,Todesurteil‘ des Iran gegen Salman Rushdie im Februar 1989 Österreich das einzige demokratische Land der westlichen Welt war, das seinen Botschafter nicht aus Teheran abzog.

Im Rahmen der EU hat sich die Haltung Österreichs gegenüber dem Iran nicht geändert, wie die Ereignisse nach dem ,Mykonos‘-Urteil in Berlin zeigen. Am 11. April werden die Botschafter aus Teheran abgezogen, was Außenminister Schüssel am 30. April laut APA als ,Symbol‘ bezeichnet, nach der Entscheidung über die Aufhebung dieser Maßnahme am 29. April setzt man sich der Peinlichkeit aus, daß der Iran manche EU-Vertreter (aus Dänemark und Deutschland) nicht mehr willkommen heißen möchte, und steht vor einem Scherbenhaufen. Ein ,Drei-Stufen-Plan‘ gegenüber dem Iran, der nach einiger Zeit zu Wirtschaftssanktionen und letztendlich zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit dem Iran führen würde, wenn dieser nicht bei der Aufklärung vom im Ausland verübten Morden mit den Behörden der betreffenden Ländern kooperiert, wäre angesagt gewesen. Doch ein entsprechender Antrag im EU-Hauptausschuß des Nationalrates wurde von den Regierungsparteien abgelehnt.

So wie es in der Iranfrage um Berechenbarkeit und Glaubwürdigkeit österreichischer Außenpolitik geht, die durch die beschriebene Weise schwer beschädigt scheint, hat ein Ereignis der jüngsten Vergangenheit der Reputation Österreichs weiteren Schaden zugefügt. Es war dies die


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