Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 74. Sitzung / Seite 100

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15.02

Abgeordneter Dr. Jörg Haider (Freiheitliche): Hohes Haus! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! In den letzten Wochen hat sich sehr viel in Fragen der Personaldiskussion getan, ausgelöst durch das tragische Ereignis des Selbstmordes eines der führenden Bankmanager in einer staatlichen Bank. Und kein Geringerer als der sozialistische Manager Woltron hat im Fernsehen deutlich gemacht, daß es sich dabei um die Folgen eines zynischen und – wie er gesagt hat – menschenverachtenden Systems des rot-schwarzen Proporzes und der Parteibuchwirtschaft handelt. Wenn Woltron das so brutal in den Raum gestellt hat, dann versteht man auf der anderen Seite eigentlich nicht, daß die Bankmanager, wie etwa der Generaldirektor der Bank Austria, dann mit solcher Kälte und Überheblichkeit über den Selbstmord hinweggegangen sind und daß man jetzt versucht, aus Ihrer Sicht, Herr Bundeskanzler, so zu tun, als hätte man überhaupt nichts damit zu tun! (Abg. Mag. Stadler – zu Bundeskanzler Mag. Klima, der mit Klubobmann Dr. Kostelka spricht –: Ist das notwendig? – Bundeskanzler Mag. Klima: Daß ich da bin?) Nein! Daß Kostelka Ihnen etwas ins Ohr flüstert, damit Sie mir Ihre Aufmerksamkeit nicht widmen können! (Abg. Mag. Stadler: Wir haben in der Präsidiale vereinbart, daß wir das abstellen! Sonst lassen wir die Sitzung unterbrechen und warten, bis der Herr Klubobmann aufgehört hat, mit dem Bundeskanzler zu diskutieren! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Herr Bundeskanzler! Ich danke dafür, daß Sie sich nun Zeit nehmen, ein bißchen zuzuhören, denn ich möchte Sie fragen, ob Sie wirklich glauben, daß es genügt, jetzt ein Fünf-Punkte-Programm vorzustellen und zu sagen: Die Geschichte ist saniert. Waren Sie nicht selbst jener, der ganz massiv darauf gedrungen hat, daß der aus der Bundesregierung entfernte Exminister Scholten einen neuen Posten bei der Oesterreichischen Kontrollbank bekommen sollte, wo sogar ein dritter Posten geschaffen wurde, weil sich die Rochade als ein bißchen kompliziert erwiesen hat? Sind Sie nicht jener, der in den letzten Jahren selbst immer wieder gezeigt hat, daß für ihn im Prinzip Objektivierung, Ausschreibung und Qualifikation sekundär sind, wenn es darum geht, persönliche parteipolitische Entscheidungen durchzubringen?

Kein Geringerer als Ihr früherer Ministersekretär Dipl.-Ing. Brenner ist sogar in der neuen Schienenfinanzierungsgesellschaft als Generaldirektor eingesetzt worden! Wo wurde diese Stelle ausgeschrieben? Außerdem ist Herr Brenner gleichzeitig Generaldirektor der HL-Bau – eine völlig unvereinbare Situation! Einerseits verwaltet er das Geld, andererseits ist er der Generaldirektor, der sich das Geld für die Projekte abholt. Das war auch Ihr Werk, Herr Bundeskanzler, als Sie noch Minister waren. Sie waren Finanzminister, Sie waren auch Verkehrsminister! Sie sind der Verhandler verschiedener Modelle. Auch dieses Modell der Schieneninfrastrukturfinanzierung trägt Ihre Handschrift, und die Personen sind ausgewählt worden.

Ihr früherer Sekretär Székely sagt es ganz offen in einem Zeitungsinterview: Als es mich nicht mehr gefreut hat, Ministersekretär zu sein, habe ich Klima gesagt, daß ich mich geordnet verändern möchte. – Es genügt offensichtlich, Klima zu sagen: Ich möchte mich geordnet verändern, denn im Handumdrehen war er Generaldirektor der Raaber Bahn – ohne Ausschreibung, überhaupt kein Problem. (Abg. Haigermoser: Schwups!)

Daher sage ich: Diese fünf Gebote, die Sie mit diesem Fünf-Punkte-Programm nun erlassen haben, Herr Bundeskanzler, sind eher ein Schuldeingeständnis, eine Flucht nach vorne, als eine wirkliche Sanierung eines Zustandes in der Form, daß ein Neuer kommt und sagt: Jetzt packe ich an! – Sie sind Bestandteil eines alten Systems, Sie sind schuldig geworden, indem Sie selbst durch viele Aktionen dazu beigetragen haben, daß dieser rot-schwarze Proporz in Österreich wieder fröhliche Urständ feiert! (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Ich sage Ihnen ganz offen: Bevor Sie nicht bereit sind, Ihren eigenen letzten Sündenfall zu beseitigen, werden Ihnen Ihre fünf Gebote überhaupt nichts nützen! Beseitigen Sie zuerst den Sündenfall Scholten! Ziehen Sie ihn zurück! Beseitigen Sie den Sündenfall, nicht die Person! (Abg. Dr. Nowotny: Was bedeutet "beseitigen"?) Herr Kollege Nowotny! Sie müssen zuhören oder Ihren Gehörschutz entfernen! (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Herr Bundeskanzler! Beseitigen Sie den Sündenfall Scholten als Direktor der Oesterreichischen Kontrollbank! Dann sind Sie glaubwürdig mit Ihrem Fünf-Punkte-


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