Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 75. Sitzung / Seite 22

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Ich habe mich aber, da ich ein neugieriger Mensch bin, bei unseren Nachbarstaaten, die alle – warum wohl? – der NATO beitreten wollen, umgehört und kann Ihnen heute zumindest deren diesbezügliche Schätzungen mitteilen. Interessanterweise hat keines dieser Länder bisher Verhandlungen geführt und kann somit auch keine Antwort klar auf den Tisch legen. In ihren Bestrebungen vergleichbar wären Polen oder Rumänien – beides größere Länder als unseres –, die bei einem Beitritt zur NATO mit Kosten in der Höhe zwischen 100 und 150 Millionen Dollar pro Jahr rechnen.

Diese Informationen gebe ich an Sie weiter. Welche Schlüsse Sie daraus ziehen, bleibt Ihnen überlassen. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Danke, Herr Vizekanzler. Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Moser, bitte.

Abgeordneter Hans Helmut Moser (Liberales Forum): Herr Vizekanzler! Namhafte Experten haben immer wieder – auch im Rahmen einer Enquete im Parlament – festgestellt, daß die Neutralität mit einer Mitgliedschaft in der NATO nicht vereinbar ist. Nun behauptet der Herr Verteidigungsminister aber immer wieder, daß dies möglich wäre. Sind Sie auch der Auffassung Ihres Verteidigungsministers?

Präsident Dr. Heinz Fischer: Bitte, Herr Vizekanzler.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel: Ich bin auch dieser Meinung, kenne und respektiere aber auch andere Meinungen. Das ist überhaupt keine Frage.

Ich verweise aber auf das Beispiel der Sanktionsbestimmungen des UNO-Sicherheitsrates: Früher – ich weiß nicht genau, wann es geändert wurde – waren diese Sanktionsbestimmungen nicht verpflichtend, erst ab dem Jahre 1982, glaube ich, sind diese Bestimmungen des UNO-Sicherheitsrates auch für Staaten, die nicht an einem solchen Sicherheitsratsbeschluß mitgewirkt haben, bindend. Diese Änderung hat natürlich auch unsere Neutralität in diesem Bereich außer Kraft gesetzt – zumindest dramatisch verändert.

Im Falle eines Beitrittes zur NATO oder zur Westeuropäischen Union – beides ist sicherlich nur im Einklang miteinander zu sehen; ich sage das deswegen, weil die Position des Liberalen Forums in dieser Frage noch unscharf ist ... (Abg. Hans Helmut Moser: Ist klar!) Ist klar. Danke. Ich nehme das mit Freude zur Kenntnis. – Dann ist es selbstverständlich, daß der Artikel 5, die Beistandsverpflichtung, die Neutralitätsverpflichtung zweifellos außer Kraft setzt. Das muß man offen und ehrlich sagen.

In anderen Bereichen hingegen könnte die neutrale Position selbstverständlich weiter aufrechterhalten werden. (Abg. Scheibner: Das ist Unsinn!) Der Beistandsfall wurde aber interessanterweise seit dem Jahre 1945 nie in Anspruch genommen. (Abg. Hans Helmut Moser: Gott sei Dank!) Gott sei Dank! Das ist aber eine interessante Tatsache. Daher halte ich diese Argumentationslinie für möglich. Dieser Punkt gehört jedoch erst in die zweite Phase. In der ersten Phase sollten wird uns ehrlich und objektiv entscheiden: Sollen wir beitreten oder nicht? Diese Diskussion ist primär zu führen. (Beifall bei der ÖVP.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Zusatzfrage? – Herr Abgeordneter Scheibner, bitte.

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche): Herr Außenminister! Es wäre interessant, noch Näheres über Ihre "Rosinen"-Neutralität zu erfahren. Aber meine Frage geht in eine andere Richtung. Es sind nun eigentlich alle Gegenargumente, die von Gegnern eines Beitritts Österreichs zur NATO vorgebracht wurden, entkräftet worden, letztlich auch durch den nun abgeschlossenen Vertrag zwischen der NATO und Rußland.

Können Sie als verantwortlicher Außenminister einen Zeitplan für Beitrittsverhandlungen Österreichs mit der NATO festlegen und garantieren, daß dies noch vor der ersten NATO-Erweiterungsrunde geschehen wird?


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