Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 76. Sitzung / Seite 81

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standen und wurden erst mit Wirksamkeit vom 24. 6. 1945 durch das Staatsgesetzblatt 25 aus dem Jahr 1945 aufgehoben.

Die Justiz ist stets davon ausgegangen, daß zu dem hier zu beurteilenden Tatzeitpunkt für vorsätzliche Tötungsdelikte die bezughabenden Bestimmungen des Deutschen Reichsstrafgesetzbuches in Geltung standen, welche zwischen Mord, § 211, und Totschlag, § 212 Reichsstrafgesetzbuch, unterschieden haben.

Nach § 211 – das bildet für die weiteren Ausführungen den Schlüsselpunkt – ist Mörder, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken einen Menschen tötet. Totschlag verwirklicht, wer vorsätzlich Menschen tötet, ohne Mörder im vorigen Sinne zu sein.

Nach den österreichischen Bestimmungen über die Verfolgungsverjährung wäre daher lediglich ein vor dem Jahre 1945 nach § 211 Reichsstrafgesetzbuch begangener Mord nicht als verjährt anzusehen. Auch das von Ihnen zitierte Urteil des Volksgerichtshofes, der eine Verurteilung wegen Verbrechens der Mitschuld am Totschlag, § 5 Strafgesetzbuch, ausgesprochen hat, hat sich auf § 212 Reichsstrafgesetzbuch bezogen. (Abg. Öllinger: Wurde nie gültig!)

An dieser Qualifikation hat der Oberste Gerichtshof nichts auszusetzen gehabt. Er hat nur insofern eine Aufhebung ausgesprochen, als er gesagt hat, daß eigentlich nicht geprüft worden ist – ich habe das ausgeführt –, ob die der Verurteilung zugrunde liegenden Tathandlungen an den Tötungen der Kinder, die letztendlich stattgefunden haben, kausal oder mitwirkend waren.

Die Justiz geht davon aus, daß das Reichsstrafgesetzbuch anzuwenden war und ist und es somit auf die subjektive Tatseite ankommt.

Es wurde stets erwogen – in früheren Fällen der Beurteilung sowie in den diesen zugrundeliegenden Unterlagen –, daß ein Mitwirken aus niedrigen Motiven nicht angenommen werden kann.

Neu war anläßlich der letzten Anzeige, daß das Vorliegen zusätzlicher Beweisunterlagen geltend gemacht wurde, die, wie ich meine, nicht von vornherein unbeachtet bleiben sollten und beizuschaffen sind, damit daraus die Umstände ersehen werden können und auch Rückschlüsse auf die subjektive Tatseite gezogen werden können. Es hat daher die Staatsanwaltschaft entsprechend der Erledigung durch das Bundesministerium für Justiz zuletzt an die Staatsanwaltschaft Berlin II ein Rechtshilfeersuchen zwecks Übermittlung der der Gauck-Behörde vorliegenden Unterlagen gerichtet.

Neu war außerdem gegenüber früheren Erledigungen die Beischaffung der von einer deutschen Autorin stammenden, in der Zwischenzeit fertiggestellten Dissertationsschrift. Durch den Staatsanwalt wurden auch weitere Verfügungen vorgenommen, vor allem um zu verhindern, falls so etwas überhaupt geplant wäre, daß die im Psychiatrischen Krankenhaus auf der Baumgartner Höhe deponierten Gehirnpräparate von zu Tode gekommenen Kindern, soweit sie noch vorhanden sind, keiner Bestattung zugeführt werden, was möglicherweise von weiterem Interesse im Verfahren sein könnte.

Zur Grundsatzfrage – in der schriftlichen Anfrage ist diese Frage nicht releviert worden – kann ich, da ich mich jetzt mangels Kenntnisse nicht ausführlich dazu äußern kann, nur auf das verweisen, was ich ausgeführt habe und was auch die Grundlage für die Entscheidung des Volksgerichtshofes war, die in diesem Punkt vom Obersten Gerichtshof nicht gerügt worden war.

Die weitere Vorgangsweise richtet sich auf das Beischaffen der nunmehr vorliegenden weiteren Unterlagen und das Nachgehen von Hinweisen darauf, daß weitere Unterlagen vorliegen sollen. Aufgrund dessen ist der Sachverhalt festzustellen und sind auch Überlegungen darüber anzustellen, ob die subjektive Tatseite bisher richtig beurteilt wurde oder nicht.

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