Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 76. Sitzung / Seite 82

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Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Vielen Dank, Herr Bundesminister.

Zu Wort gemeldet ist nun Frau Abgeordnete Dr. Pittermann. Von jetzt an beträgt die Höchstredezeit pro Redner 5 Minuten. – Bitte, Frau Abgeordnete.

14.43

Abgeordnete Dr. Elisabeth Pittermann (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Für jeden anständigen Menschen sind die Verbrechen der Nazizeit ebenso grauenhaft wie unfaßbar. Die oft geäußerte Verteidigung auf Befehlsnotstand ist nichts anderes als eine Schutzbehauptung. Die durchgeführten Verbrechen wurden aus Hörigkeit zum Regime, um des persönlichen Vorteils willen, aus purem Sadismus oder aus Lust an der gottähnlichen Macht begangen.

Die Verbrecher zeigen Zynismus, oder sie stellen sich als Unschuldige und Unwissende dar. Besonders verabscheuungswürdig ist es jedoch, wenn ein Arzt solche Verbrechen begangen hat, der ja dem Hippokratischen Eid verpflichtet ist. Ich zitiere aus diesem Eid:

"Ich schwöre bei Apollon, dem Arzt, und bei Asklepios, daß ich erfüllen will nach meiner Kraft und meines Geistes Vermögen diesen Eid und diese Verpflichtung: ...

Auch werde ich tödliches Gift niemandem geben, mag er selbst darum bitten, und auch keinen Rat dieser Art erteilen. ...

In welches Haus ich auch immer kommen mag, betreten will ich es zum Nutzen der Leidenden und mich enthalten jedes vorsätzlichen Vergehens und jeder schädigenden Tat ...

Wenn ich nun diesen Schwur halte und nicht breche, so möge ich mich meines Lebens und meiner Kunst erfreuen in Ehren bei allen Menschen für alle Zeit, wenn ich aber meineidig werde, soll alles Unheil mich treffen."

Gerade jenen haben sie etwas angetan, die ihnen zum Schutz und zur Heilung anvertraut waren. Sie haben ihnen nicht nur Zuwendung und Hilfe verweigert, sie haben sie gequält und getötet. Ich gebe zu, daß es heute äußerst schwierig ist, das volle Ausmaß der Involvierung des Dr. Heinrich Gross in diese schrecklichen Morde zu erfassen. Nach vorliegenden Dokumenten, Aussagen und Berichten gibt es keinen Zweifel an seiner Schuld.

Seine Karriere spricht Bände und weist ihn als glühenden Anhänger der NS-Ideologie aus: 1932 als 17jähriger HJ-Mitglied, anschließend SA, 1935 Bezirksschulungsführer, weiters Sturmbann-Schulungsführer, 1937 Oberscharführer, 1938 Antrag auf NSDAP-Mitgliedschaft, 1939 Obertruppenführer, 1944 Goldenes HJ-Abzeichen, ab November 1940 auf eigenen Wunsch Versetzung als Arzt an den "Spiegelgrund". Warum gerade dorthin? Ich zitiere aus einem "profil"-Artikel:

"Die Psychiatrische Klinik am Steinhof beherbergte die Sonderanstalt ,Am Spiegelgrund’, eine Abteilung, für die die Kanzlei des Führers eine eigene Aufgabe vorgesehen hatte.

Bestimmte, vertrauenswürdige Ärzte erhielten die Ermächtigung ,lebensunwertem Leben’ ein Ende zu bereiten.

Für den ,Spiegelgrund’ war diese Sonderaufgabe zweifellos eine Auszeichnung, denn der Befehl Hitlers war nur ,einem beschränkten Kreis von Personen bekannt’. Geheimhaltung war oberste Pflicht, und es wurden für diese Tätigkeit ,nur Gutachter und Ärzte herangezogen, die bewährte Nationalsozialisten oder SS-Führer waren’."

Dr. Gross zeichnete sich durch großen Arbeitseifer aus. Auch sein Verhalten nach 1945 sowie Aussagen von Mittätern, Patienten und Angehörigen sowie Opfern weisen ihn als Täter aus. Er veröffentlichte wissenschaftliche Arbeiten über die Hirnschnitte von Opfern und wollte sich damit habilitieren. Bis vor kurzem wurden die gesammelten Gehirne in der Krankenanstalt Baumgartner Höhe noch aufbewahrt, erst jetzt bestattet.


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