Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 77. Sitzung / Seite 86

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genau – im ÖGB und auch in vielen Arbeiterkammern (Ruf bei den Freiheitlichen: Aber nicht in allen!) Beschlüsse vorliegen, die klar besagen: Wir wollen ein passives Wahlrecht auch für ausländische Kollegen. Gleichzeitig aber sagt die Regierung: Wir warten diesbezüglich auf ein positives Signal von ÖGB und AK. – Spricht man aber mit ÖGB- oder AK-Vertretern, dann heißt es: So einfach ist das nicht; es gibt zwar einen solchen Beschluß, aber wir können das trotzdem nicht so machen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor allem aus dem gewerkschaftlichen Bereich! Mit dieser Politik ist Österreich das europäische Schlußlicht, eine Schande in bezug auf die Integration ausländischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, und zwar allein diese Frage betreffend. Es ist selbstverständlich und in jedem europäischen Land – nicht nur in EU-Ländern – üblich, daß ein Österreicher, der dort arbeitet, auch Betriebsrat werden kann.

Ich habe vor Jahren an einer Veranstaltung teilgenommen, bei der sich ein österreichischer Betriebsrat, der in Deutschland tätig war, darüber gewundert hat, daß das, was für ihn in Deutschland ganz klar und selbstverständlich ist, in Österreich noch immer nicht der Fall ist. Das ist eine Schande! (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Daß Sie jetzt mit einem Entschließungsantrag, den Sie in Abwesenheit der Antragsteller im Ausschuß gebastelt haben, an die Regierung appellieren, diese Frage des passiven Wahlrechts zu prüfen, heißt, sich von hintenherum zu kratzen, aber nur ja nicht bei dem Problem, bei dem eigentlichen Thema anstreifen zu wollen.

Sie wollen diese Frage genauso bis zum Jahre 2000 hinauszögern wie die Frage der Notstandshilfe, wo uns der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verpflichtet, diese Frage zu regeln, und zwar tun Sie das mit der Begründung, daß möglicherweise auch Österreicher durch diese Regelung negativ betroffen sein könnten.

Meine Damen und Herren! Sie verkennen bei der Regelung dieser Frage, daß jetzt Zehntausende Ausländer durch diese Haltung Österreichs, durch diese Rechtswidrigkeit Österreichs in bezug auf internationale Verträge, negativ betroffen sind. Sie sagen: Die müssen eben noch ein paar Jahre warten.

Durch diese sehr vertrackte Regelung – das ist das eigentliche Problem – versuchen Sie, Ausländer auszuschließen, das aber nach außen nicht wirklich diskriminierend wirken zu lassen. Sie betreiben also damit eine versteckte Diskriminierung. Durch diese Regelung bewirken Sie allerdings, daß auch Inländer negativ tangiert werden können. Und jetzt stehen Sie vor dem Problem, wie Sie das hinkriegen sollen, und zwar so, daß möglichst kein Schaden für Inländer entsteht, aber trotzdem nicht alle Ausländer unter bestimmten anderen Annahmen zu ihrem Recht kommen.

Ich halte diese Politik des Nachgebens, des Weichwerdens, des Verweigerns von Rechten schlicht für diskriminierend, für menschenrechtsverachtend, meine Damen und Herren. Sie sollten schön langsam darangehen, auch einmal Konsequenzen in dieser Richtung zu ziehen!

An die Adresse der ÖVP nur ein Punkt: Eine Partei, die zum jetzigen Zeitpunkt fordert, daß Ehe und Familie in der Verfassung verankert werden sollen, die darüber jammert, daß die Familie in unserem Rechtssystem so wenig geachtet wird, sollte sich an der Nase nehmen, Herr Kollege Kiss, und sich die Frage stellen, ob es rechtens ist beziehungsweise ob es billig ist, bestimmte Gruppen von Familien – weil es sich um ausländische Familien handelt – von diesem hohen Rechtsgrundsatz, den Sie da in die Verfassung aufnehmen wollen, auszunehmen. (Zwischenrufe des Abg. Kiss. )

Das Recht auf Familienzusammenführung verweigern Sie nach wie vor, Herr Kollege Kiss, und mit Ihnen Ihre ganze "christliche" Österreichische Volkspartei. Sie reden zwar davon, Ehe und Familie in der Verfassung verankern zu wollen, tun aber nichts – keinen Fingernagelbreit! –, um Familienzusammenführung, die notwendig ist und die Sie menschenrechtswidrig verweigern, tatsächlich stattfinden zu lassen. Sie sollten sich schämen, meine Damen und Herren von der ÖVP! (Beifall bei den Grünen.)

13.16


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