Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 77. Sitzung / Seite 119

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Aber die Auflistung der statistischen Einkommenshöhe täuscht darüber hinweg, daß die Verdienstchancen bei den LehrerInnen äußerst ungleich verteilt sind. Während insbesondere junge Lehrerinnen und Lehrer an den Pflichtschulen ohne die Möglichkeit von Überstunden mit Gehältern zwischen 22 000 S und 26 000 S auskommen müssen, lassen sich an höheren Schulen nach wie vor Einkommen jenseits von 100 000 S erzielen. Im Jahre 1995 hat der damalige Beamtenstaatssekretär Schlögl vorgerechnet, daß insgesamt 182 Lehrer an Abendschulen für Berufstätige Gehälter von über 100 000 S brutto erzielen.

Die kosmetischen Reformen des "Strukturpaketes" von 1996 haben an dieser ungerechten, leistungsfeindlichen und demotivierenden Situation nicht viel verändert. Anstelle der ursprünglich geforderten Abschaffung des Zulagenwesens und der Mehrdienstleistungen wurde die Verantwortung dafür auf die Länder verlagert. Diese müssen lediglich dafür sorgen, daß eine bestimmte durchschnittliche Höhe des Überstundenentgeltes nicht überschritten wird. Die Privilegien der LehrerInnen an Abendschulen wurden verkleinert, aber nicht abgeschafft.

Während die Aufrechterhaltung der ungleichen Einkommensverteilung innerhalb der Lehrerschaft einerseits zur Demotivation der jungen, oftmals engagierteren LehrerInnen beiträgt, sind die eigentlich Leidtragenden die arbeitslosen Junglehrerinnen und Junglehrer. Nach einer Untersuchung vom Februar 1997 warten derzeit österreichweit ca. 6 000 AbsolventInnen von Pädagogischen Akademien und Lehramtsstudien auf eine Chance zur Anstellung im Schuldienst. Ihre Aussichten sind keineswegs erfreulich. Die zurzeit pragmatisierten Lehrer sind großteils im Alter zwischen 40 und 50 Jahren, ein großer Pensionierungsschub wird daher erst in ca. 15 Jahren kommen. Wenn nicht andere Möglichkeiten gefunden werden, wird sich an der Junglehrerarbeitslosigkeit bis ins Jahr 2013 nichts ändern.

4. Pädagogischer Konservatismus verursacht zusätzliche Kosten in Milliardenhöhe.

Österreich ist einer der letzten europäischen Staaten, dessen schulisches Beurteilungssystem noch immer fast ausschließlich auf Ziffernnoten aufgebaut ist. Dabei hat sich die – wissenschaftlich breit abgesicherte – Erkenntnis, daß "Noten" eine denkbar schlechte Form der Leistungsbeurteilung sind, durchaus bereits bis Österreich durchgesprochen: In schöner Regelmäßigkeit wird in Studien, Symposien, Diskussionen festgestellt, welche negativen Folgen mit dem "Notenkult" verbunden sind: Noten täuschen Objektivität vor, wo doch alle Untersuchungen bestätigen, daß gleiche Leistungen von verschiedenen Lehrerinnen völlig unterschiedlich bewertet werden. Noten sind eher leistungshemmend als –fördernd, denn die gehäufte Rückmeldung von Mißerfolgen und der erniedrigende Vergleich mit den Klassenkameraden hemmt die Leistungsbereitschaft der langsamer lernenden Schülern. Schließlich werden Noten oft als Disziplinierungsinstrument eingesetzt. Die Note als "Waffe in der Hand des Lehrers, um seine Schüler in Schach zu halten ...." ist in Österreichs Klassenzimmern leider tägliche Realität.

Aber nicht nur die Ziffernnoten sind das Problem, sondern der mit ihnen untrennbar verbundene Selektionsmechanismus, das "Sitzenbleiben": Österreich ist im europäischen Vergleich an der Spitze bei den RepetentInnenzahlen. Im Schuljahr 1994/95 mußten insgesamt über 52 000 SchülerInnen eine Klasse wiederholen. Die RepetentInnenquote betrug an den Allgemeinbildenden Pflichtschulen 2 Prozent, an den Allgemeinbildenden Höheren Schulen 8,2 Prozent und an den Berufsbildenden Höheren Schulen bereits 13 Prozent! Den traurigen Spitzenwert bezüglich der "DurchfallerInnenquote" erreichen die Wiener Berufsbildenden Höheren Schulen mit einem Wert von 16 Prozent!

Mit dem "Sitzenbleiben" als Massenphänomen sind gleichzeitig hohe volkswirtschaftliche Kosten verbunden. Nimmt man die jährlichen Ausgaben pro SchülerIn als Maßstab, entstehen durch die hohen RepetentInnenzahlen jährliche Mehrbelastungen des Unterrichtsbudgets von rund 3 Milliarden Schilling. In der oben erwähnten Studie des IHS über die "Finanziellen Aspekte der Schulentwicklung" wird geschätzt, daß sich durch eine Reduktion der RepetentInnenzahlen auf 50 Prozent die LehrerInnenpersonalkosten bis ins Jahr 2000 um jährlich 1 bis 1,5 Milliarden Schilling reduzieren ließen.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite