Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 77. Sitzung / Seite 154

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17.21

Abgeordnete Dr. Martina Gredler (Liberales Forum): Herr Präsident! Frau Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich will Ihre Aufmerksamkeit auf mehrere Punkte lenken.

Latein: Latein ist eine Skurrilität, die seinesgleichen sucht. (Abg. Dr. Brinek: Ihresgleichen!)  – Ihresgleichen, Entschuldigung! – Es wird nicht etwa jene Institution befragt, die Latein als Erfordernis für ein Hochschulstudium als notwendig erachtet, sondern das wird von jener Institution bestimmt, die entsendet.

Frau Bundesminister! Ich war auch eine davon Betroffene und kann Ihnen sagen, daß ich keine bessere oder schlechtere Ärztin geworden bin, weil meine Lateinkenntnisse im ersten und zweiten Semester aufpoliert wurden. (Abg. Dipl.-Ing. Schöggl: Hat Ihnen sicher nicht geschadet!) Ich halte es eigentlich nicht für erforderlich, daß Sie das bestimmen, Frau Bundesminister, vielmehr sollten das jene Organisationen beziehungsweise die Studienkommissionen tun, die davon betroffen sind. Ich glaube, man sollte das durchaus – das gilt auch für Darstellende Geometrie und Griechisch – einer neuen Betrachtung unterziehen.

Bezüglich der Benotungen: Was bedeutet das wirklich, wenn jemand "gut" in einem Fach ist? – Ist er "gut", weil er sich sehr bemüht und vielleicht in einem Teilbereich nicht ausreichende Kenntnisse hatte, aber die Bemühung im Vordergrund gestanden ist, oder stand das aktuelle Wissen im Vordergrund, worauf es eben einen "Zweier" gegeben hat, derjenige oder diejenige sich jedoch absolut nicht bemüht hat und die Fähigkeit hätte, wesentlich besser zu sein? Eine Benotung, die eigentlich nichts ausdrückt, ist doch etwas Willkürliches. Es wäre für die Schülerinnen und Schüler viel besser, würde man ihnen deutlich sagen: Paß auf, strenge dich an, du kannst wesentlich mehr! Oder man könnte sie einfach motivieren und sagen: Wir wissen, daß es eine große Schwierigkeit war, aber der erste Schritt ist getan, wir gratulieren – und deswegen bekommst du eben nicht einen "Vierer", sondern einen "Zweier". – Das würde wirklich motivierend sein. (Zwischenruf bei den Freiheitlichen.)

Frau Kollegin! Bezüglich der EU würde ich mit Ihnen gerne länger sprechen. Ich war in einem Schulsystem – kein österreichisches, zugegebenermaßen –, wo wir diese Benotung hatten, wir wurden mit Kommentaren beurteilt, und es war selbstverständlich, daß man sich über Leistung verbessern konnte und nicht nur Wissen als Kriterium für eine Benotung herangezogen wurde. (Abg. Dr. Brinek: Kommentar ist okay!) Ich glaube, daß wir mit diesem System nicht schlecht gefahren sind und daß aus meinen damaligen Kolleginnen und Kollegen der Schule durchaus etwas geworden ist.

Bezüglich der EU: In der EU gibt es das sogenannte SOCRATES-Programm, worunter Hochschulbildung, Schulbildung, Fremdsprachenerwerb, offener Unterricht und Erwachsenenfortbildung fallen. Mit diesem Programm verbinde ich ein Begehren: Bis jetzt sind Projekte für zirka 1 Milliarde ECU eingereicht worden. 1 Milliarde ECU für ein Programm, das sich von 1995 bis 1999 erstrecken soll, ist eigentlich nicht viel – vielleicht wissen Sie das nicht –, verglichen mit 1 Milliarde ECU, die pro Jahr in der EU für den Tabakanbau verwendet wird. In der EU gibt man im Jahr 2 Milliarden ECU für den Tabakanbau aus. Für ein Programm, das als größtes Bildungsprogramm der EU vier Jahre lang seine Gültigkeit haben sollte, gibt man nicht so viel aus, sondern es sind eben nur 850 Millionen ECU dafür veranschlagt.

Meine Damen und Herren! Zurzeit wird das im Europäischen Parlament besprochen, morgen gibt es die Abstimmung. Wer wird nicht dort sein? – Kollege Swoboda! Kollege Swoboda wird morgen während dieser Abstimmung in einem Kaffeehaus in Wien sitzen und eine Presseerklärung abgeben. Wenn das eine Motivation dafür sein soll, daß die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten die Bildungspolitik ernst nehmen, daß nämlich dann, wenn das Programm vom gesamten Parlament eine Unterstützung braucht, der Fraktionssprecher der österreichischen Sozialdemokraten nach Wien "abpascht", um sich ins Kaffeehaus zu setzen, dann halte ich das wirklich nicht für eine seriöse Vorgangsweise! Richten Sie ihm das aus! (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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