Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 78. Sitzung / Seite 90

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Ich würde das noch verstehen, wenn diese Anfrage vor der Einigung im Ausschuß eingebracht worden wäre, aber sie ist, Herr Präsident Schwarzböck, am Tag der Einigung eingebracht worden. Daher glaube ich, daß Sie jenen Scharfmachern in Ihrer Koalition auch einmal ins Stammbuch schreiben sollten, daß Bauern und Gewerbetreibende in einem Boot sitzen. Die gesamte unwürdige Diskussion, bei der monatelang Bauern gegen Gewerbetreibende aufgehetzt wurden, hat weder den Bauern noch den Gewerbetreibenden etwas gebracht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die Faktenlage ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, ja eine ganz andere: Nach dem EU-Beitritt – das entnehme ich dem Konsumentenbericht – gab es im Jahre 1995 bei Fleisch einen Preissturz für den Produzenten im Ausmaß von 22 Prozent. Der Konsument profitierte davon aber nicht, denn die Spanne wurde nicht weitergegeben. Für ihn verbilligte sich im Jahre 1995 das Fleisch lediglich um 1 Prozent. Bei Brotgetreide war es noch viel schlimmer: 46 Prozent minus. Dieser Preissturz wurde jedoch auch nicht weitergeleitet. Im Gegenteil: Für den Konsumenten wurde das Brot teurer.

Wer sind die "Kriegsgewinnler" des EU-Beitritts? Es sind nicht die Bauern, auch nicht die kleinen Gewerbebetriebe. Wenn Sie sich den Konsumentenbericht genau anschauen, dann werden Sie sehen, daß 90 Prozent der Verkaufsfläche im Handel größer als 150 Quadratmeter sind. Die Gewinner sind daher auch nicht die Greißler, die kleinen Bäcker oder die kleinen Fleischer, diese stehen alle mit dem Rücken an der Wand und "sterben". Sie können sich ausmalen, wer die Profiteure des EU-Beitritts sind. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

In einer derartigen Situation eine Diskussion zu führen, die zwei Ertrinkende noch stärker in die Tiefe reißt, ist verantwortungslos. Das hätten Sie sich ersparen können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Situation in der Bauernschaft ist dramatisch. Laut Caritas lebt bereits ein Drittel an der Armutsgrenze. Alle zwei Stunden wird in Österreich ein bäuerlicher Arbeitsplatz vernichtet. Zehn Betriebe sperren pro Tag zu. Deshalb haben wir uns erhofft, daß es im Rahmen der neuen Gewerbeordnung für die Bauernschaft keine Schlechterstellung geben wird, sondern Verbesserungen für die kleinen und Kleinstgewerbebetriebe. Doch wenn man sich jetzt die konkreten Auswirkungen Ihrer Gewerbeordnung anschaut, dann muß man feststellen, daß von dem, was Sie angekündigt haben, nicht viel übrig- geblieben ist. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Sie haben vor dem EU-Beitritt gesagt, daß die Preise fallen werden, man aber in die Direktvermarktung ausweichen könne. Sie haben nicht dazugesagt, daß es zum Teil schikanöse EU-Bestimmungen im Hygienebereich geben wird, die zwar für Großschlachthöfe ab 1 000 GVE pro Jahr finanzierbar, aber für Direktvermarkter untragbar sind. Da wird es zu einer nationalen Lösung kommen müssen, es wird zu einer – ich nenne jetzt dieses Reizwort – Renationalisierung in diesem Bereich kommen müssen, damit Waffengleichheit zwischen den Großen und den Kleinen bestehen bleibt.

Sie haben, Herr Präsident Schwarzböck, gemeinsam mit dem Herrn Schwarzenberger, der sogar kurzzeitig Herrn Stummvoll überzeugt hat, noch beschwichtigt, als es um die Pauschalierungsfrage und um die Aufzeichnungspflicht gegangen ist. Beide habt Ihr in einer Aussendung gemeint, das sei nur eine bürokratische Belastung. Jetzt tritt genau das Gegenteil ein: Jetzt haben wir die Bürokratie für den Bauern und für den kleinen Gewerbebetrieb.

Sie haben vor dem EU-Beitritt gesagt, daß es in der Frage der Fremdenzimmervermietung zu einer Verbesserung kommen wird. Der Himmel hing ja voller Geigen für die Landwirtschaft. Ich habe mir nicht vorstellen können, daß Sie die Versprechungen, die Sie vor dem EU-Beitritt gemacht haben, auch tatsächlich werden erfüllen können. Heute stellen wir fest, daß die Bettengrenze bleibt und daß es in einigen Bereichen noch zu Änderungen kommen wird. Konkreteres sagen Sie ja nicht dazu.

Sie haben vor dem EU-Beitritt gesagt, es werde in der Landwirtschaft zu einer Ausweitung der Nebengewerbe, zu Erwerbskombinationen – Fuhrwerksdienste, kommunale Dienstleistungen – kommen. Davon ist in dieser Gewerbeordnung nichts enthalten, nichts konkret formuliert. Man


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