Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 78. Sitzung / Seite 109

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Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe hält fest, daß Deutschland durch die Ratifikation des EU-Vertrages sich nicht einem unüberschaubaren, in seinem Selbstlauf nicht mehr steuerbaren "Automatismus" zu einer Währungsunion unterworfen hat, und der Zeitpunkt für den Eintritt in die dritte Stufe der WWU (spätestens 1999) "eher als Zielvorgabe, denn als rechtlich durchsetzbares Datum" zu qualifizieren ist. Letztlich erteilt das Bundesverfassungsgericht mit seiner Interpretation jener Auffassung eine Absage, die in der Endstufe der Währungsunion eine Solidargemeinschaft "auf Gedeih und Verderb" sieht und bejaht die Möglichkeit des Ausscherens des einzelnen Mitgliedstaates.

Glaubwürdigkeit, notwendige Legitimation und wirtschaftliche Konvergenz, welche wesentliche Voraussetzungen und Grundbedingungen für einen erfolgreichen Start der EWU wären, können nicht durch einseitige Werbekampagnen, großartige Versprechungen, Beteuerungen und Wunschvorstellungen erreicht werden. Sie bedürfen des nachhaltigen Vertrauens der Bürger und der Märkte. Wie soll jedoch Vertrauen entstehen, wenn beim Erreichen der Voraussetzungen bereits derart manipuliert wird, und sich die Bundesregierung einer breiten öffentlichen Diskussion über zahlreiche ungelöste Fragen mit weitreichenden Konsequenzen für die Bevölkerung entzieht bzw. sie den Bürgern die ganze Wahrheit vorenthält? Eine derart sensible Entscheidung, die Ablösung des österreichischen Schilling durch den Euro, kann unter diesen Rahmenbedingungen nur im Rahmen einer Volksabstimmung durch die allfällige Zustimmung der österreichischen Bevölkerung legitimiert werden.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an den Herrn Bundeskanzler nachstehende

Dringliche Anfrage:

1. Wie ist es zu rechtfertigen, daß weder der Bundesminister für Finanzen noch sein Stellvertreter, Staatssekretär Dr. Ruttenstorfer, der ja nicht zuletzt mit der Begründung des hohen Arbeitsanfalls auf europäischer Ebene installiert wurde, an der jüngsten ECOFIN-Tagung teilgenommen haben?

2. War aus Ihrer Sicht bzw. aus Sicht der Bundesregierung diese ECOFIN-Tagung von untergeordneter Bedeutung?

Wenn ja, warum?

3. Bei welchen sonstigen Ratssitzungen haben österreichische Regierungsmitglieder nicht teilgenommen?

4. Auf welche Weise ist Ihrer Auffassung nach sichergestellt, daß Österreich bei wichtigen Ratstagungen trotz der Abwesenheit von Regierungsmitgliedern wesentliche Anliegen und Positionen in den Entscheidungsfindungsprozeß auf europäischer Ebene durchsetzen kann?

5. Sind Sie für eine punktgenaue Erfüllung der Konvergenzkriterien, insbesondere des Defizitkriteriums und des Kriteriums öffentlicher Schuldenstand?

Wenn nein, warum nicht?

6. Wird der österreichische Vertreter im Rat dafür eintreten, daß die Konvergenzkriterien nicht strikt ausgelegt werden, damit eine möglichst große Zahl der EU-Mitgliedstaaten von Beginn an an der 3. Stufe der WWU teilnehmen können?

Wenn ja, warum und welche Kriterien können Ihrer Meinung nach um wieviel aufgeweicht werden?

7. Sind Sie ebenso wie der Mitautor der von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Studie über die Auswirkungen der WWU, Dr. Breuss, der Auffassung, daß eine große WWU mit höheren wirtschaftlichen Risken behaftet ist?

Wenn nein, warum nicht?


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