Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 78. Sitzung / Seite 189

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rufsbildenden mittleren Schulen, bei denen die Möglichkeit besteht, ein zwei- oder dreijähriges Kolleg mit Maturaabschluß anzuschließen und Hochschulreife zu erlangen. Weiters gibt es die Lehrausbildung, die je nach Lehrberuf zwischen zwei und vier Jahren dauert und mit der Lehrabschlußprüfung, mit der Gesellenprüfung abschließt, bei der dann die Möglichkeit besteht, nach einer dementsprechenden Praxis eine Meisterprüfung anzuschließen. In diesem Fall ist der Zugang zur Hochschule sozusagen nur über den Umweg – und ich sage ausdrücklich "Umweg" – einer Studienberechtigungsprüfung beziehungsweise einer Abendschule möglich, die im Grunde genommen mit der eigentlichen Ausbildung an sich nichts zu tun hat.

Die Freiheitlichen verleihen in ihrem Abänderungsantrag der Meinung Ausdruck, daß die Studienberechtigungsprüfung der einfachere Weg ist. – Ich halte dem entgegen, daß dem nicht so ist. Denn wie schaut es aus, wenn ein Tischlermeister Jus studieren will? – Er braucht, um zur Studienberechtigungsprüfung zugelassen zu werden, eine einschlägige Vorbildung. (Abg. Schaffenrath: Die kann er auch durch Vorprüfungen nachbringen!) Ja, aber wie holt er sich diese? – Er besucht als außerordentlicher Hörer Vorlesungen an der Universität und legt Prüfungen über das Gehörte ab. Das zählt dann als einschlägige Vorbildung, hat aber mit seiner ursprünglichen Ausbildung nichts zu tun. Daher enthält das Berufsreifeprüfungsgesetz die klarste Durchlässigkeit, die denkbar ist. Es wird nämlich dort angesetzt, wo jemand seine Berufsausbildung abgeschlossen hat. Wenn jemand die Meisterprüfung abgeschlossen hat, kann er sich den fachpraktischen Teil ersparen und in den allgemeinbildenden Fächern eine allgemeine Hochschulreife erreichen. Diese Durchlässigkeit ist daher die effizienteste, und die anderen Möglichkeiten bleiben erhalten. (Abg. Schaffenrath: Aber nicht ohne Begleitmaßnahmen!)

Ich glaube, daß es uns mit dieser Berufsreifeprüfung auch gelingen wird, den enormen Druck zu beseitigen, der insbesondere auf den Absolventen der AHS-Unterstufe und der für sie Verantwortlichen lastet. Denn heute ist bei der Entscheidung, ob ein Kind eine weiterführende Schule oder eine Lehre besuchen soll, der gesellschaftliche Druck so stark, daß die Kinder mit aller Gewalt in höhere Schulen gedrängt werden und dann sehr oft an diesem System scheitern, weil dieser Zugang nicht der ihre ist, weil sie eher praxisorientiert sind und vielleicht in der Theorie in dieser Phase ihres Lebens noch Probleme haben. Daher ist es durchaus sinnvoll, die offensichtliche Durchlässigkeit, die jetzt mit der Berufsreifeprüfung ermöglicht wird, zu gewähren. Damit werden die Eltern von dem Druck befreit, unter dem sie bei der Ausbildungsentscheidung für ihre Kinder oft stehen, weil sie sich den späteren Vorwurf ersparen möchten, ihren Kindern nicht alle Möglichkeiten geboten zu haben. (Abg. Schaffenrath: So ist es!)

Frau Kollegin Schaffenrath! Sie haben zuvor gesagt, daß wir mit der Berufsreifeprüfung das Problem im Lehrlingsbereich nicht lösen werden. Da gebe ich Ihnen recht! (Abg. Schaffenrath: Jetzt bin ich aber gespannt!) Darum haben wir uns auch nicht auf diese eine Maßnahme beschränkt, sondern haben auch im Kinder- und Jugendschutzgesetz und im Ausbildungsgesetz entsprechende Maßnahmen getroffen. Es wurden Maßnahmen getroffen, von der Schaffung der Berufsreifeprüfung bis etwa zu Schaffung der Möglichkeit, daß Lehranfänger mit einem Mofa fahren dürfen, um zum Betriebsort zu gelangen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Eine Fülle von Maßnahmen greift jetzt beziehungsweise wird sinnvoll greifen. (Abg. Schaffenrath: Zu wenige!) Ich hoffe im Interesse der Jugend und im Interesse der Lehrlinge, daß wir recht behalten und Sie unrecht haben! (Abg. Schaffenrath: Das wünsche ich Ihnen sogar!)

An dieser Stelle möchte ich sagen, daß Ihr Abänderungsantrag nicht uninteressant ist. Wir haben im Ausschuß auch sehr lange und ausführlich darüber diskutiert, welche Möglichkeiten der Anrechnung und Zuerkennung es noch gäbe, und es wäre natürlich schön gewesen, wenn Sie – diesen Vorwurf können wir Ihnen nicht ersparen – im Ausschuß gewesen wären und dort konstruktiv Ihren Beitrag geleistet hätten! (Abg. Schaffenrath: Stimmen Sie dem Antrag doch zu!)

Es geht vor allem darum, daß wir mit diesem Berufsausbildungsgesetz einen neuen Weg beschreiten, nämlich den Weg zu einer offensichtlichen Durchlässigkeit. Es wird nach einigen Jahren sicherlich die Möglichkeit geben, in weitere Bereiche vorzudringen.


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