Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 80. Sitzung / Seite 49

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zu hinterfragen, einer Diskussion zu unterziehen und entsprechende Maßnahmen zu setzen. Ich glaube aber auch, daß ein umfassender Bericht über die Wirtschaftslage Österreichs heute mehr denn je auch auf einer Beurteilung des internationalen Umfeldes aufbauen muß.

Es besteht kein Zweifel, daß wir Zeitzeugen großer politischer und wirtschaftlicher Veränderungen sind: Die Integration der ehemaligen Planwirtschaften im Osten Europas in eine marktwirtschaftlich orientierte Weltwirtschaft, die Vollendung der Europäischen Integration durch die Währungsunion und die Phänomene der Globalisierung sind Vorgänge, die eine neue internationale Arbeitsteilung mit sich bringen. Wie erfolgreich darauf in einer Volkswirtschaft reagiert wird, hängt natürlich vom Problembewußtsein ab sowie von der konkreten Bereitschaft, aufgrund sehr nüchterner und vorurteilsfreier Analysen Änderungen durchzuführen.

Diese Eigenschaften sind nicht nur für jene notwendig, die Rahmenbedingungen schaffen und wirtschaftspolitische Akzente setzen, sondern im Grunde ist unser gesamtes gesellschaftliches System gefordert. Es ist dies eine demokratiepolitisch organisierte Gesellschaft, die einen intensiven Diskussions- und Abstimmungsprozeß ermöglicht. Ich glaube, daß das Ziel dieses Prozesses das Finden tragfähiger Kompromisse ist.

Es gibt überzeugende Gründe dafür, meine sehr verehrten Damen und Herren, daß unsere Einstellung zu den erwähnten Phänomenen von einer positiven Haltung geprägt werden sollte, von einer Haltung, die zwar auch die Risken sieht – man soll nichts beschönigen –, die vor allem aber auch die Chancen, die sich ergeben, nutzt, denn: Weder ist die Integration mit einem Verlust von kultureller Identität verbunden, noch bedeutet Globalisierung den unaufhaltsamen Weg zur Zweidrittelgesellschaft. Integration ist vielmehr die logische Folge der Globalisierung.

Insgesamt können wir, wie ich meine, eine Vision von größerer internationaler Verteilungsgerechtigkeit und vom Abbau potentieller Spannungen haben. Gleichzeitig, und das ist meine Auffassung dazu, schützt Integration vor negativen Einflüssen der Globalisierung. Vom Standpunkt der Europäischen Integration bedeutet das die Erhaltung der europäischen Wertvorstellungen und das Schaffen einer politischen und ökonomischen Infrastruktur, die Probleme durch eine spezifisch europäische Ethik löst und den Begriff der Gewalt ausschließt. Ich halte das für eine der wesentlichen Positionen im Zusammenhang mit der Europäischen Integration. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie des Abg. Dr. Van der Bellen. )

Österreich, meine sehr geschätzten Damen und Herren, befindet sich – wie viele andere europäische Länder auch – in einem Prozeß der Anpassung an neue, große strukturelle Herausforderungen; Anpassung jedoch nicht passiv empfunden, sondern Anpassung offensiv und initiativ wahrgenommen.

Ich möchte als erste der großen Herausforderungen die Ostöffnung nennen. Hätte sich heute vor zehn Jahren jemand hier hergestellt und gemeint, in zwei Jahren gebe es die Berliner Mauer nicht mehr, wäre er wahrscheinlich ausgelacht worden. Zehn Jahre sind in der Entwicklung einer wirtschaftlichen Situation, in der Veränderung von Strukturen, die das wirtschaftliche Handeln regelt, eine extrem kurze Zeit. Die Ostöffnung brachte für viele Länder Europas, besonders jedoch für die unmittelbaren Nachbarn der Reformländer, nämlich Österreich und Deutschland, nicht nur neue Märkte und Expansionsmöglichkeiten sowie demokratische und stabile politische Verhältnisse in unmittelbarer Nachbarschaft, sondern sie hat unserer Wirtschaft Konkurrenten direkt vor die Haustüre gesetzt – Konkurrenten, die durch ihre niedrigen Preise und Lohnkosten den heimischen Betrieben erhebliche Probleme machen.

Während zwar alle Untersuchungen zeigen, daß Österreich von der Ostöffnung vor allem durch eine Exportsteigerung profitiert, so können und dürfen wir die Augen davor nicht verschließen, daß auch die Importe und vor allem der Einkaufstourismus gewaltig gestiegen sind und bereits in vielen Bereichen und Regionen volkswirtschaftlich schädlich wirken. Eine Reihe von Branchen und Wirtschaftsbereichen, vor allem in grenznahen Gebieten, gilt es zunehmend vor unlauterem Wettbewerb zu schützen. – Auch das ist eine Aufgabe, die wir uns vorgenommen haben.

Die zweite Herausforderung ist die Westeuropäische Integration. Sie verändert vieles. Die Teilnahme am Binnenmarkt und der logisch sinnvolle nächste Schritt zur WWU brachten schon bis


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