Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 80. Sitzung / Seite 51

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Anpassung – das sage ich auch ganz deutlich – bedeutet in einer Reihe von Bereichen – etwa bei den Ladenöffnungszeiten, dem Arbeitszeitgesetz oder der Gewerbeordnung – mehr individuellen Gestaltungsraum. Diesbezüglich ist in den letzten Monaten viel geschehen; freilich – und auch das gebe ich ganz offen zu – nicht immer zur Freude der Betroffenen, aber letztendlich im langfristigen Interesse der Betroffenen und zum Erhalt ihrer Beschäftigung – ob selbständig oder unselbständig.

Anpassung bedeutet in anderen Bereichen die Schaffung moderner Anreize anstelle traditioneller Lenkungsformen. Die Erbringung vieler Dienstleistungen wie etwa der Telekommunikation ist nicht unbedingt Aufgabe der öffentlichen Hand, wie bereits erwähnt wurde. Daher hat es in Österreich bereits viele institutionelle Reformen gegeben, wie etwa den Umbau und die Privatisierung, die sehr erfolgreiche Privatisierung der früheren verstaatlichten Industrie.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die angesprochenen neuen Aufgaben werden wir am besten dann lösen, wenn wir offen und pragmatisch an sie herangehen. Mit der Einstellung "Das war immer so!" oder "Bei uns nicht!" werden solche notwendige Reformen hinausgezögert und die Chance zum Mitgestalten der Entwicklungen vertan, denn letztlich bleibt uns in Wahrheit keine andere Wahl, als uns den neuen Herausforderungen an unsere Wirtschaft zu stellen. (Präsident Dr. Neisser übernimmt den Vorsitz.)

Entscheidend für mich als sozial und demokratisch denkenden Menschen ist, daß wir die neuen Herausforderungen im Geiste der sozialen Fairneß, also vor allem im Sinne eines stimmigen Ausgleiches und Kompromisses bewältigen. Daher wird bei allem Bekenntnis zur Stärkung der Wettbewerbskraft und des Wirtschaftsstandortes Österreichs die Frage der gerechten Verteilung des gemeinsam Erwirtschafteten auf der Tagesordnung bleiben müssen. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Herr Präsident! Hohes Haus! Die wirtschaftliche Entwicklung in Österreich verlief in den letzten Jahren im Verhältnis zu Europa etwa parallel. Auch in Österreich – und das ist sehr bedauerlich – dauerte die Schwächephase unerwartet lang, bis hinein in das späte Jahr 1996. Seit dem letzten Quartal des Jahres 1996 zeichnet sich eine langsame und positive wirtschaftliche Entwicklung ab. Nachfrage und Produktion haben sich belebt, und ich glaube, daß vor allem der Aufschwung in Österreich von den Exporten in die EU getragen war, die sich aufgrund des dort ebenfalls anspringenden Wachstums erhöht haben.

Es kann daher insgesamt heuer mit einem leichten Wachstumsplus gerechnet werden. Von den heimischen Wirtschaftsforschungsinstituten, der Europäischen Kommission, der OECD und dem Internationalen Währungsfonds wird übereinstimmend ein Wirtschaftswachstum von etwa 1,5 Prozent erwartet. Damit wird die österreichische Wachstumsdynamik nur knapp unter dem Durchschnitt der Europäischen Union liegen, was vor dem Hintergrund der nachhaltigen Anstrengung zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte in Österreich ein, wie ich meine, sehr gutes Ergebnis ist. Für das Jahr 1998 rechnen die Wirtschaftsforscher mit etwa 2,2 Prozent.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frage der Beschäftigung ist für mich eine zentrale Frage, wenn auch die Lage am Arbeitsmarkt in Österreich im internationalen Vergleich nach wie vor günstig ist. Aber die Menschen leben nicht im Vergleich, sie leben im Lande. Daher nützt es auch nichts, sich auf irgendwelche Daten auszureden, sondern es ist unsere Aufgabe – eingebettet in die Politik auch der Europäischen Union –, diese Frage als eine österreichische zu betrachten.

Wenn die Arbeitslosenrate im Jahr 1997 nach Prognosen der Wirtschaftsforscher bei 4,2 bis 4,3 Prozent und damit weit unter dem EU-Durchschnitt liegt, dann ist mir das eigentlich noch zuwenig. Selbst in den sogenannten neuen Wirtschaftswunderländern USA, Neuseeland, Niederlande oder Irland liegen die Arbeitslosenraten deutlich über jenen von Österreich. Das sollte man in der Diskussion nicht vergessen, wo diese Länder uns ja gerne als Beispiel vor Augen geführt werden. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

In den USA beträgt die Arbeitslosenrate 5,5 Prozent, in den Niederlanden 6,5 Prozent, in Neuseeland 6 Prozent und in Irland noch immer über 11 Prozent. Nicht daß ich mich darüber freue,


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