Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 80. Sitzung / Seite 68

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Noch etwas, weil es heute am späteren Nachmittag auch noch hier im Hause darum gehen wird: Herr Minister Edlinger! Sie haben gesagt, daß das strategische Eigentum in gewissen Schlüsselbereichen eine wirtschaftspolitisch wichtige Sache sei. Ich stimme Ihnen völlig zu. Die Grünen sind zum Beispiel immer dafür eingetreten, von weiteren Privatisierungen in der E-Wirtschaft abzusehen, solange nicht der Beschluß zur Re-Regulierung in diesem Bereich neu gefaßt wird, und das wird noch einige Zeit dauern.

Aber Sie erwähnen nicht nur die E-Wirtschaft, sondern auch die Banken, und im Bankwesen vermisse ich jedes Konzept in dieser Beziehung. Heute nachmittag werden Sie – nicht wir, aber Sie – ein Gesetz beschließen betreffend Abgabe der Bank-Austria-Anteile, die derzeit von der Post-Holding gehalten werden. Ich weiß schon, daß Sie das wider besseres Wissen tun und daß Sie damit keine Freude haben, aber Tatsache ist, es passiert.

Zum Hauptthema: Sie haben mit Recht – das hat uns Grünen natürlich gut gefallen – nach langer Zeit wieder einmal das Thema Vollbeschäftigung in den Mittelpunkt gestellt. Das ist für sich genommen erfreulich. Sie haben gesagt, das sei keine Utopie, sondern tatsächlich konkretes Ziel, das zu erreichen. Angesichts dessen fällt es einem schwerer, die Fakten mit dieser Aussage in Übereinstimmung zu bringen.

Es ist natürlich richtig, Österreich liegt nach wie vor unter dem EU-Durchschnitt. Österreich wird auch bis auf weiteres noch unter dem EU-Durchschnitt liegen. Nur waren bisher vor allem zwei Effekte maßgeblich dafür, daß die Arbeitslosigkeit in Österreich geringer ist als in der EU. Das eine sind die massiven Frühpensionierungen, und das andere ist der Beschäftigungszuwachs im öffentlichen Sektor. Beides stößt jetzt an budgetäre Grenzen. Das brauche ich Ihnen nicht zu erzählen, das wissen Sie alle. Nur wenn man die Frühpensionen richtig in die Arbeitslosenrate mit einrechnen würde, dann hätten wir jetzt schon de facto eine um 3 bis 4 Prozent höhere Arbeitslosenrate. Wir wären zwar immer noch unter dem EU-Durchschnitt, aber nicht viel.

Zur Beschäftigung im öffentlichen Sektor: Da liegen wir an und für sich nicht schlecht, was den EU-Durchschnitt betrifft, aber nicht gut genug. Von den zusätzlich 600 000 Beschäftigten ab 1970 sind ungefähr 250 000 im privaten Sektor und 350 000 im öffentlichen Sektor beschäftigt. Ich meine, was den Vergleich mit der EU betrifft, ist das gar nicht so schlecht, weil dort in diesem Zeitraum, insgesamt betrachtet, neue Plätze im privaten Sektor überhaupt nicht entstanden sind und alle nur im öffentlichen Sektor waren. Insofern schneidet Österreich noch gut ab, aber das ist Vergangenheit. Niemand weiß besser als der Finanzminister, daß diese zwei Möglichkeiten, den Arbeitsmarkt zu entlasten, also die Frühpensionen und die Beschäftigung im öffentlichen Sektor, schlicht und einfach an eine budgetäre Grenze gestoßen sind.

Auch von der Konjunktur her wird es keine Entlastung geben. Die Wachstumsrate, die auch heute hier zitiert wurde, zwischen eineinhalb und zweieinhalb Prozent wird natürlich nicht ausreichen, um die Beschäftigung auch nur zu stabilisieren.

Ich habe heute die Arbeitsmarktdaten des Sozialministeriums mit – letzte Fassung von Ende Juni. Tatsächlich zeichnet sich, von wenigen Ausnahmen abgesehen, überall ab, daß sich die Arbeitsmarktlage verschlechtert. Die Zahl der vorgemerkten Arbeitslosen ist um 2,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr angestiegen, die Verweildauer in der Arbeitslosigkeit ist um fünf Tage höher als im Vorjahr. Das sind "nur" fünf Tage, aber die Tendenz ist klar, die Langzeitarbeitslosigkeit steigt, und damit sinkt die Chance, diese Leute wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Einen Lichtblick gibt es immerhin darin: Bei jüngeren Personen, also Leuten zwischen 19 und 29 Jahren, ist die Arbeitslosigkeit geringfügig gesunken. Dafür ist sie bei den über 55jährigen um 30 Prozent gestiegen. Mit anderen Worten: Ob wir das wollen oder nicht, am altersmäßigen Ende des Arbeitsmarktes tut sich etwas auf, was wir so oder so budgetär finanzieren müssen, es bleibt uns gar nichts anderes übrig, ob das nun über die Arbeitslosenunterstützungen oder über die Frühpensionen geschieht. Das ist auf kurze Sicht nicht korrigierbar.

Sehr beunruhigend – beunruhigend, weil schon einige Maßnahmen getroffen wurden, die offensichtlich bisher nicht greifen – ist die Entwicklung auf dem Lehrstellensektor. Nach wie vor steigt


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